
GEÄNDERTE MARKTBEDINGUNGEN MACHEN DIE AUSLAGERUNG DER PRODUKTION ZU EINEM AUFTRAGSFERTIGER ATTRAKTIV
Momentan befindet sich die Automobilindustrie im Wandel, und zukünftige Veränderungen sind schwer einschätzbar. Allerdings ist der Trend zu kürzeren Modelllaufzeiten schon jetzt erkennbar, weil insbesondere im Bereich der alternativen Antriebssysteme die Innovationsgeschwindigkeit höher ist als in der traditionellen Automobiltechnik. Auch eine Tendenz zu geringeren Stückzahlen pro Modellvariante ist vorhersehbar, da sich der Markt aufgrund zunehmend individuellerer Kundenbedürfnisse immer stärker segmentiert. Gerade in jüngster Zeit ist zudem die Zahl der New Entrants, die ins Automobilgeschäft einsteigen, stark angestiegen.
All dies macht die Auslagerung der Produktion an einen Auftragsfertiger für den Fahrzeughersteller attraktiv, da dort kleinere Stückzahlen effektiver produziert werden können. Profitabel und erfolgreich für beide Seiten kann ein solches Projekt allerdings nur sein, wenn der Auftragsfertiger auch die finanzielle Seite perfekt vorbereitet und plant.
EFFEKTIVE FINANZPLANUNG NOCH VOR DEM EIGENTLICHEN PROJEKTSTART
Dabei muss die Finanzplanung bereits feststehen, lange bevor ein Fertigungsprojekt wirklich startet. Ein Projekt, bei dem keine Balance zwischen Liquidität, Rentabilität und dem erfolgreichen Anlaufen der Serienfertigung erreichbar erscheint, hat von vornherein keine Aussicht, überhaupt umgesetzt zu werden. Dazu müssen die Finanzplaner frühzeitig in der Lage sein, eine verlässliche Chancen- und Risiken-Abwägung zu erstellen. Auch während des laufenden Projekts muss man die Finanzierungsbedarfe regelmäßig analysieren und nötigenfalls nachjustieren.
FINANZIERUNG ENTSCHEIDET ÜBER UMSETZUNG VON PROJEKTEN
Magna in Graz ist in einen weltweiten Konzern aus unterschiedlichen Firmen eingebunden. Entscheidend dafür, welche der möglichen Fertigungsprojekte tatsächlich umgesetzt werden können, ist die im Vorfeld durchzuführende Finanzplanung. Denn natürlich stehen auch von Seiten des Mutterkonzerns nur begrenzte Mittel zur Verfügung, mit denen bestimmte Projekte realisiert werden können. Das Magna-Werk in Graz muss quasi nicht nur vom Hersteller, sondern bereits vorher vom Konzern den Zuschlag und die Freigabe für das Projekt bekommen.
Dazu ist es erforderlich, die Rentabilität des Projektes sicherzustellen und dessen Chancen und Risiken frühzeitig genau abzuwägen. Dafür existieren einerseits im Konzern und andererseits bei Magna in Graz Standards, anhand derer man die finanziell ausgewogenen Projekte auswählt.
FRÜHZEITIGE ABSTIMMUNG DER PRÄMISSEN MIT DEM POTENZIELLEN KUNDEN
Dazu muss mit dem potenziellen Auftraggeber, also dem Hersteller, vorab geklärt werden, welche Erwartungen er hat und welche für das Projekt erforderlichen Investitionen wie und von wem finanziert werden müssen: Welche Einmalkosten fallen an? Wer trägt sie? Und welche laufenden Kosten sind während der laufenden Serienproduktion zu tragen? All diese Aspekte sind zu berücksichtigen, um die nötigen Rentabilitäts-Ziele zu erreichen.
Faktisch konkurrieren in einem Konzern die unterschiedlichen Geschäftsbereiche, die unterschiedlichen Firmen miteinander um begrenzte Mittel. Deshalb muss Magna in Graz entsprechende Rentabilitätskennzahlen erreichen und eine ausgewogene Chancen-und Risiken-Matrix darstellen können, damit der Konzern das betreffende Gesamtfahrzeug-Fertigungsprojekt freigeben kann. Dabei ist auch das Ausmaß der Vorfinanzierung zu berücksichtigen.
EINMAL- UND LAUFENDE KOSTEN BERÜCKSICHTIGEN
Bei der Finanzierung fällt ein Großteil der Einmalkosten zu Beginn des Projektes an. Darunter fallen Investitionen in Fertigungsanlagen, Produktionswerkzeuge und Vorrichtungen oder auch die Planungs- und Anlaufkosten für den betreffenden Fertigungsauftrag. Die Höhe der dafür erforderlichen Aufwendungen hängt vom jeweiligen Projekt ab – etwa davon, wie sich das neue Produkt in die vorhandene Fertigungsinfrastruktur einbinden lässt und wie viele bereits vorhandene Einrichtungen und Werkzeuge sich dafür mitnutzen lassen.
Die laufenden Kosten sind zu unterscheiden in variable und fixe Kosten. Zu den Fixkosten, die unabhängig von der produzierten Stückzahl anfallen, gehören etwa die Kosten für die benötigten Flächen, für die Hallenmiete und natürlich die Personalkosten.
PERSONALKOSTEN SIND AM SCHWIERIGSTEN GENAU ZU PLANEN
Einen sehr großen Anteil der laufenden Kosten stellen die Personalkosten dar. Zwar sind sie grundsätzlich von der produzierten Stückzahl abhängig, denn für mehr Output wird in der Regel auch mehr Personal benötigt. Dennoch gehen sie – anders als etwa Material- und Energiekosten – nicht sofort automatisch proportional zurück, wenn die Produktionsstückzahl sinkt. Eine Anpassung ist nur in Grenzen und allenfalls zeitversetzt umsetzbar. Dazu kommt, dass sich die Personalkosten ständig verändern können, etwa in Folge von Tarifabschlüssen oder durch geänderte Sozialversicherungsbeiträge.
KOSTENBALANCE IST ABHÄNGIG VOM JEWEILIGEN FERTIGUNGSPROJEKT
In welchem Verhältnis die laufenden zu den Einmalkosten stehen, hängt von der Laufzeit des Projektes und von der zu fertigenden Stückzahl ab. Diese beiden Eckpunkte sind mit dem Hersteller vorab zu klären und werden dann vertraglich festgelegt. Grundsätzlich verlieren die bei Anlauf des Projektes entstehenden Einmalkosten bei längerer Laufzeit oder zunehmendem Fertigungsvolumen an Bedeutung.
Denn der pro hergestelltem Fahrzeug anzurechnende Einmalkostenanteil verringert sich, wenn mit der bereits geleisteten Einmalinvestition mehr Fahrzeuge hergestellt werden können. Andererseits fallen bei sehr langen Laufzeiten die Einmalkosten nicht nur einmal an, sondern es sind immer wieder Investitionen in die Fertigungseinrichtungen erforderlich. Beispielsweise, wenn die Stückzahl stark gesteigert werden muss oder wenn Werkzeuge nach langer Laufzeit verschlissen oder Prozesse veraltet sind.
ANPASSUNG AN GEÄNDERTE STÜCKZAHLENERFORDERNISSE
Erweist sich das Produkt als erfolgreicher im Markt, als beim Start des Projektes abzusehen war, lässt sich die erforderliche Steigerung der Produktionsstückzahl in gewissem Rahmen ohne erneute Investitionen bewerkstelligen – etwa durch andere Schichtmodelle. Bei Magna in Graz gibt es außerdem (wenn das betreffende Produkt zusammen mit einem anderen auf der gleichen Linie montiert wird) die Möglichkeit, durch Verschiebung der Stückzahlen zwischen den auf einer Linie gefertigten Fahrzeugtypen eine gewisse Anpassung zu erreichen.
Schwieriger ist die Situation im umgekehrten Fall, in dem das Produkt im Markt vom Endkunden schlechter als geplant angenommen wird. Oder wenn, bedingt durch Faktoren außerhalb der Fertigung oder der Produktqualität, sich die geplanten und mit dem Hersteller vereinbarten Stückzahlen nicht absetzen lassen. Im Extremfall, wenn das Projekt bei bereits laufender Produktion abgebrochen werden muss, lassen sich die bereits finanzierten Kosten nicht mehr auffangen und müssen abgeschrieben werden.
RISIKOMANAGEMENT ALS ZENTRALER BESTANDTEIL DER FINANZIERUNG
Um derlei Risiken gering zu halten, ist es insbesondere bei Fertigungsprojekten im Auftrag von New Entrants, also neuen Teilnehmern am Automobilmarkt, besonders wichtig, Chancen und Risiken des Projekts gründlich zu untersuchen und abzuwägen. Dazu gehören neben der Beurteilung der finanziellen Solidität des potenziellen Kunden auch Faktoren, die eigentlich nicht zum Kerngeschäft eines Auftragsfertigers gehören: etwa die Einschätzung der Marktchancen des Fahrzeugkonzepts sowie die Beurteilung der Absatzkanäle und der Vertriebsstrategie.
Bei Projekten für etablierte Hersteller ergeben sich schwere Fehleinschätzungen kaum. In der Regel werden solche Fertigungsaufträge mit den vereinbarten Stückzahlen über die vereinbarte Laufzeit abgewickelt und sind von daher weniger risikobehaftet.
POTENZIELLE GEGENMASSNAHMEN BEI EXTERN BEDINGTEN STÜCKZAHLAUSFÄLLEN
Allerdings unterliegen auch große und etablierte Hersteller einigen Risiken, die gesetzten Absatzziele nicht zu erreichen. Etwa, wenn externe Faktoren das Geschäft beeinträchtigen: globale oder auch regionale Krisen, Pandemien oder regionale Konflikte; oder gesetzgeberische Maßnahmen, die eine Kaufzurückhaltung beim Endkunden zur Folge haben. Das kann auch auf den Auftragsfertiger durchschlagen, zum Beispiel, dass man die geplanten Stückzahlen nicht erreichen kann.
Patentrezepte, wie man in solchen Fällen verfahren soll, gibt es nicht. Denn der Fertigungsbetrieb hat nur begrenzt gezielte Einflussmöglichkeiten. Deshalb ist es für den Auftragsfertiger äußerst wichtig, permanent an der eigenen Kostenstruktur zu arbeiten und kontinuierlich zu analysieren und zu optimieren, um das Projekt finanziell gesund zu halten. Das betrifft nicht nur die reinen Kosten in der Produktion selbst, sondern ebenso die in den administrativen Bereichen, im Einkauf, in der Logistik, auch in den Werksstrukturkosten.
Hier hat die Einbindung in einen Konzern insofern Vorteile, dass durch Kommunikation und regen Informationsaustausch mit der Kollegschaft anderer Konzernunternehmen möglicherweise Einsparpotenziale entdeckt werden, die sich anderswo bewährt haben und für den eigenen Betrieb ebenfalls umsetzbar sind.
TRENDS UND ZUKÜNFTIGE ENTWICKLUNGEN BEIM FINANZMANAGEMENT IN DER AUTOMOBIL-SERIENPRODUKTION
Die Automobilindustrie ist nicht mehr so robust, wie es noch vor wenigen Jahren den Anschein hatte. Selbst etablierte Hersteller sind nicht immun gegenüber Konjunktureinbrüchen und können die gesetzten Ziele nicht immer vollumfänglich erreichen. Auch Erfolgschancen für neue Marktteilnehmer sind nicht immer zuverlässig gegeben. Das erhöht generell die Risiken, wenn eine neue Serienproduktion anlaufen soll – selbst, wenn diese nicht in eigenen Werken des Herstellers erfolgt, sondern extern vergeben wird.
Für die Finanzplanung bei einem Auftragsfertiger heißt das: Insbesondere die Risikoanalyse beim Projektstart muss noch sorgfältiger und vielschichtiger erfolgen. Speziell bei Fertigungsaufträgen von Neueinsteigern in den Automarkt ist dabei hohe Expertise gefordert, um die Marktchancen des neuen Produktes und auch dessen Vermarktungsstrategie bewerten zu können. Die in erhöhtem Maß gebotene Vorsicht darf allerdings nicht dazu führen, jedes unternehmerische Risiko von vornherein ausschließen zu wollen.
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