DIE 4 OPERATIVEN PRODUKTENTSTEHUNGSPROZESSE INNERHALB EINES AUTOMOBILINDUSTRIENETZWERKES
Während die strategischen Elemente der Führung die netzwerkbezogenen Aufgaben eines Fahrzeugprojektes umfassen, liegt der Schwerpunkt der operativen Produktentstehungsprozesse (wie schon der Name verrät) im eigentlichen Produkt – also dem Fahrzeug selbst. Im Rahmen dieser Prozesse wird die Produktidee des Fahrzeugproduzenten also in konkrete Produkteigenschaften übersetzt.
Auch diese Gruppe lässt sich in vier Elemente unterteilen:
Die Konzeptentwicklung bzw. das Produktmanagement
Der erste operative Produktentstehungsprozess ist das Produktmanagement bzw. die Konzeptentwicklung. Hier wird die Fahrzeugidee auf Basis der Produktvision ausdefiniert. Das bedeutet, dass die Vorstellungen und Wünsche des Marktneueinsteigers sowie die geplanten Alleinstellungsmerkmale des Fahrzeuges in zu erreichende messbare Kennzahlen und Entwicklungsziele (Vehicle Targets) überstellt werden.
Natürlich setzt dieser Prozess auch eine umfassende Analyse der Markt- und Konkurrenzsituation voraus, die im Rahmen der zuerst durchgeführten Machbarkeitsstudie eingehend erhoben werden.
Die Konzeptentwicklung endet mit der Zusammenfassung und Bestätigung der Produktziele im Rahmen des Target Agreements.
Die Produktentwicklung
Die Produktentwicklung erfolgt als zweiter Produktentstehungsprozess direkt nach Abschluss der Konzeptentwicklung. Im Rahmen dieser Phase werden aus den Gesamtfahrzeugzielen im Rahmen zahlreicher Spezifikationsschritte auf einzelne Systeme und spätere Komponenten zugeschnittene technische Anforderungen, die anschließend in verschiedene Lastenhefte überstellt werden. Lastenhefte werden für die jeweiligen Systemlieferanten erstellt.
Einkauf und Supply-Chain-Management
Der dritte Produktentstehungsprozess umfasst den Einkauf und das Supply-Chain-Management. Die durch das Lieferantennetzwerk anfallenden Kosten haben einen maßgeblichen Einfluss auf den Verkaufspreis des Endfahrzeuges – deshalb muss von Anfang an für die Stabilität der Lieferkette und des gesamten Geschäftsnetzwerkes gesorgt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Produkte in der richtigen Qualität, zum richtigen Preis und zur richtigen Zeit geliefert werden.
Der Aufbau, der Erhalt und die Qualitätskontrolle eines verlässlichen Lieferantennetzwerkes erfordern kontinuierliche Bemühungen. Doch nur so können die richtigen Preise und Versorgungsrahmen gesichert werden, die für eine konstante, qualitativ hochwertige Automobilproduktion erforderlich sind.
Die Fahrzeugproduktion
Der letzte Produktentstehungsprozess ist schließlich die eigentliche (Serien-)Produktion des Fahrzeuges – eine komplexe und ressourcenintensive Angelegenheit, die sich nahtlos an die vorangegangenen Entwicklungs- und Industrialisierungsprozesse anschließen sollte. Sofern klug konzipiert, bietet die Serienfertigung großes Optimierungspotenzial.
Generell können alle operativen Produktentstehungsprozesse vom Marktneueinsteiger selbst übernommen werden – alternativ ist hier auch eine Auslagerung an erfahrene Unternehmen und Hersteller möglich. Ein derartiger Schritt bietet viele Vorteile – vor allem, da diese Partner bereits selbst über umfangreiche Netzwerke in der Automobilindustrie verfügen. Natürlich ist auch hier darauf zu achten, dass der gewählte Entwicklungs- und Produktionspartner die erforderlichen Services anbietet und die notwendigen Kompetenzen und Erfahrungen aus der Fahrzeugindustrie mitbringt.
WIE KANN EIN NETZWERK IN DER AUTOMOBILINDUSTRIE ETABLIERT WERDEN?
Der Einstieg in ein neues Geschäftsfeld ist nicht einfach, denn sogar scheinbar simple Probleme haben das Potenzial dazu, Neueinsteiger auf ihrem Weg auf den Markt aus der Bahn zu bringen.
Eine der wohl größten Herausforderungen vieler New Entrants liegt darin, dass die oben erklärten Prozesse – obwohl sie teils sequenziell zum Einsatz kommen – parallel etabliert werden müssen. Das bedeutet: Auch wenn das Vertriebs- und After-Sales-Netzwerk nicht von Tag eins des Projektes an benötigt wird, so sind dessen Anforderungen für einen reibungslosen Ablauf dennoch schon zu Beginn des Projektes relevant. Die Wartbarkeit einzelner Teile etwa wird in der Entwicklungsphase erstmals definiert, hat jedoch Auswirkungen auf die Zufriedenheit von Service-Partnern und Endkund_innen – und infolgedessen auch auf den Ruf der Fahrzeugmarke.
Dieses Prinzip des Simultaneous Engineering ist in der Fahrzeugindustrie allgegenwärtig: Der Weg einer Automotive Idea vom Reißbrett auf die Straße ist keine lineare Abfolge einzelner Schritte, sondern ein gleichzeitiges Aufstellen aller Pfeiler eines zusammenhängenden Netzwerkes.
Um einen kontinuierlichen Arbeitsablauf zu ermöglichen, ist es notwendig, die benötigten Expert_innen für die entsprechenden Prozesse ins Boot zu holen, ohne dabei das gesamte Netzwerk aus den Augen zu verlieren. Schließlich kann ein Fahrzeug nur dann am Markt erfolgreich sein, wenn die Kund_innenzufriedenheit mit dem Produkt gegeben ist und der neue Marktteilnehmer die Kund_innenanforderungen und -Wünsche im Auge behält.
DER AUFBAU DES NETZWERKES IN DER AUTOMOBILINDUSTRIE ERFORDERT EXPERTISE UND WEITSICHT
Alle oben genannten Komponenten sind grundlegend für die Verwirklichung einer automobilen Vision, damit sie auf dem Weg zur Markteinführung des Fahrzeuges ihr volles Potenzial entfalten kann. New Entrants sollten also schon von Anfang an eine klare Vorstellung von ihrem späteren Unternehmen und ihrem Fahrzeug haben.
Ein Automobilunternehmen zu gründen und das Fahrzeug auf die Straße zu bringen, erfordert unternehmerischen Mut sowie klare Prozesse und Abläufe, die die Verantwortlichkeiten für jeden spezifischen Bereich genau beschreiben. Neueinsteiger müssen sich auf das Knowhow und die Projektkompetenz ihrer Partner und der von ihnen eingesetzten Expert_innen verlassen können. Dazu muss eine gemeinsame Basis geschaffen werden, die auf offener Kommunikation und dem effizienten Austausch von Fachwissen aufbaut. Existiert diese Basis, wird auch der große Sprung in den Automotive-Markt möglich.