Quality Assurance

Qualitätssicherung beim Auftragsfertiger in der Serienproduktion der Automobilindustrie

Ein modernes Qualitätsmanagement ist Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Auftragsfertiger in der Automobilindustrie. Die hohe und gleichbleibende Qualität des Endproduktes hat höchste Priorität. Die Qualitätssicherung beginnt jedoch nicht erst an der Fertigungslinie, sondern bereits in der Projektphase eines Serienfertigungsauftrages. 

 

OHNE QUALITÄTSMANAGEMENT KEINE ZERTIFIZIERUNG, OHNE ZERTIFIZIERUNG KEIN AUFTRAG

Ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem ist die notwendige Eintrittskarte, damit ein Dienstleister oder Lieferant in der Automobilindustrie tätig werden kann. Dafür hat die IATF, die International Automotive Task Force, einheitliche Anforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem entwickelt, zu deren Einhaltung alle relevanten Unternehmen verpflichtet sind.

Die IATF ist eine internationale Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertreter_innen führender europäischer, nordamerikanischer und chinesischer Automobilhersteller. Erst wenn das betreffende Unternehmen ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem nachweisen kann, das alle Geschäftsprozesse abdeckt, wird es nach IATF 16949 zertifiziert. Ohne ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem und ohne die Zertifizierung nach IATF 16949 kommt ein Unternehmen praktisch nicht als Lieferant für Fahrzeughersteller infrage.

Dabei ist das oberste Ziel immer, die Kundenzufriedenheit sicherzustellen. Für den Auftragsfertiger bedeutet das, nicht nur die vom Auftraggeber vorgegebenen Qualitätskriterien in der letztendlichen Fertigung einzuhalten, sondern insbesondere auch ein Produkt zu bauen, das auch den Endkunden qualitativ überzeugt. Der Auftragsfertiger hat hier also die gleichen Ansprüche zu erfüllen wie der Fahrzeughersteller selbst. Diese Qualitätssicherung beginnt schon in der Konzeptphase eines Fertigungsauftrages.

 

QUALITÄTSMANAGEMENT BETRIFFT ALLE BEREICHE DES UNTERNEHMENS

Im Qualitätsmanagementsystem sind alle Unternehmensbereiche abgebildet – denn gerade bei einem so komplexen Produkt wie einem Gesamtfahrzeug nehmen alle eine wichtige Rolle ein. Um von Anfang an erfolgreich zu sein, sind genaue Prozessbeschreibungen bereits in der Projektphase entscheidend.

Basierend etwa auf Marktanalysen werden die Kundenbedürfnisse ermittelt und daraus die produktabhängigen Prozesse entwickelt. Dabei wird eine Standardisierung aller Prozesse angestrebt, was den Vorteil hat, auf vorhandene Erfahrungen zurückgreifen zu können. Hier ist ein erfahrener Auftragsfertiger im Vorteil. Denn dieser kann schon im Vorfeld einschätzen, welche Probleme auftreten könnten. Ziel ist, vorzeitig potentielle Risiken zu erkennen und ihr Eintreten zu verhindern, um maximale Kundenzufriedenheit zu erreichen und sicherzustellen.

Dieser Prozess beginnt während der Entwicklung und setzt sich über den Aufbau und die laufende Serienproduktion hinweg fort. Dabei wird stetig ausgewertet und weiterentwickelt. Auch im Aftersales-Bereich hat das Qualitätsmanagement noch Aufgaben zu erfüllen, was etwa das Feld der Ersatzteilversorgung betrifft – sogar noch nach Auslaufen der Produktion. Auf diese Weise wird nicht nur die Kundenzufriedenheit sichergestellt. Es entsteht ein wertvoller Rückfluss an Informationen, und die gewonnenen Erfahrungen werden dann in zukünftigen Programmen genutzt.


FESTLEGUNG DER GELTENDEN QUALITÄTSSTANDARDS IN ENGER ZUSAMMENARBEIT MIT KUNDEN

Die relevanten Standards und Kriterien der Qualitätssicherung werden in enger Zusammenarbeit mit dem Fahrzeughersteller bereits beim Start des Programms festgelegt. Dabei schöpft ein Multi-OEM-Fertiger wie Magna Vorteile daraus, nicht nur mit einem, sondern mit vielen unterschiedlichen Fahrzeugherstellern zusammenzuarbeiten. So besteht die Möglichkeit, das Beste aus allen Welten zusammenzuführen und in die eigenen internen Standards überzuleiten. Deren Anwendung wird dann möglichst mit den Kunden vereinbart, um sie in kurzer Zeit für das jeweilige Projekt umsetzen zu können.

Wenn aber der Fahrzeughersteller darauf besteht, dass nur exakt nach seinen eigenen Vorgaben gearbeitet wird, lässt sich dies auch realisieren. Aus diesem Grund ist es erforderlich, das Qualitätsmanagement schon in einer sehr frühen Phase mit einzubeziehen. Denn diese Vereinbarungen haben Auswirkungen auf die entsprechenden Prozesse und den dafür erforderlichen Aufwand und auf das jeweilige Angebot an den Fahrzeughersteller bzw. das Zusammenarbeitsmodell.

Bis zum Serienanlauf ist die Abstimmung auch im Detail vollzogen. Allerdings kann es auch seitens der Kunden immer wieder Änderungen – etwa aufgrund neuer Erfahrungen – geben, die dann im Rahmen eines Change Managements zur Anpassung der Prozesse führen können. 

 

LAUFENDE MESSUNG DER QUALITÄTSPERFORMANCE ALS VORAUSSETZUNG FÜR GLEICHBLEIBEND HOHE QUALITÄT

Durch das interne Kennzahlensystem lässt sich für jeden Bereich jederzeit ablesen, wo die jeweiligen Key Performance Indicators (KPIs) aktuell stehen. Sollte einer dieser Indikatoren einen kritischen Bereich erreichen, so dass Grenzwertverletzungen drohen, kann sofort gegengesteuert werden. Die Methoden der Qualitätssicherung richten sich nach dem jeweiligen Fertigungsprozess.

Beispielsweise wird die Maßhaltigkeit der Karosserie zum Teil inline zu 100 Prozent in automatisierten Messstationen im Produktionsdurchlauf überwacht. Zusätzlich werden aber auch umfassende Stichprobenmessungen an einzelnen Karosserien durchgeführt, die aus der laufenden Produktion ausgeschleust und in den Messraum transferiert werden. So kann man die Kennzahlen für einzelne Merkmale wie auch für die Maßhaltigkeit der Gesamtkarosserie zu einem umfassenden Bild verdichten.

Dabei ist entscheidend, nicht erst dann einzugreifen, wenn eine Kennzahl "außer Kontrolle" gerät, sondern Trends zu erkennen und Gegenmaßnahmen – etwa die Nachjustierung von Vorrichtungen – einzuleiten, lange bevor eine Beeinträchtigung des Produkts auftritt. 

 

BESSER VORBEUGEN ALS NACHBESSERN: FMEA IST UNVERZICHTBAR

Prävention ist nicht nur in der Automobilindustrie ein zentrales Element des Qualitätsmanagements und beginnt schon in der Produkt- und Prozessentwicklung über eine entsprechende Risikobewertung. Ziel ist, die Wahrscheinlichkeit von Qualitätsverletzungen schon von vornherein zu minimieren und nach Möglichkeit auszuschließen, etwa durch robuste Prozesse, durch ein entsprechendes Design und durch geeignetes Equipment.

Dazu dient grundsätzlich die FMEA (Fehlermöglichkeits- und -einfluss-Analyse) und in der Fertigung die Prozess-FMEA. In dieser werden durch eine strukturierte Risikobewertung Möglichkeiten für Prozessfehler ermittelt, bewertet und mit entsprechenden Maßnahmen zur Risikominimierung belegt. So stellt man sicher, dass Fehler gar nicht erst auftreten.

Magna hat hier als Anbieter von Gesamtfahrzeuglösungen, der Entwicklung und Fertigung unter einem Dach bündelt, den Vorteil, dass die Wege kurz und somit die Rückmeldeschleifen schnell sind. So fließen etwa die Aspekte der einfachen Herstellbarkeit bereits in die Produktentwicklung ein, was zu risikooptimierten Herstellprozessen führt. Design for Manufacturing und Design for Assembly sind hier die Schlagworte. 


QUALITÄT PRODUZIEREN, NICHT ERPRÜFEN: BEDEUTUNG VON SCHULUNG UND TRAINING

Gut ausgebildete und trainierte Mitarbeitende sind nicht nur motivierter, sie sind auch in der Lage, bessere Qualität zu produzieren. Bei Magna hat das zwei Seiten: Zum einen ist der Anteil des Fachpersonals in der Produktion hoch. Zum anderen wird großes Augenmerk auf die Einschulung jedes einzelnen Mitarbeitenden auf seine Arbeitsschritte gelegt.

Dies erfolgt auf Basis der für den aktuellen Arbeitsplatz spezifischen Arbeitsanweisungen und Schulungsunterlagen, den sogenannten Vorgabedokumenten. Dadurch gelingt es nicht nur, den Job interessanter zu gestalten, sondern auch, ein Verständnis dafür zu entwickeln, was man zusammenbaut und welche Funktion es erfüllt.

Gut geschulte Mitarbeitende sind von großer Bedeutung, um das Risiko von Fehlern von Anfang an zu minimieren. Dies beinhaltet auch die sofortige Meldung etwaiger Fehler, die während der Montage beobachtet werden. Dadurch kann man an den entsprechenden Prüfstationen schnell Erhebungen durchführen oder zumindest anstoßen. Wird beispielsweise ein fehlerhaftes Zulieferteil festgestellt, so ist die sofortige Überprüfung aller ähnlichen Teile, die sich auf der Linie befinden, noch vor Verbau ins Fahrzeug der nächste logische Schritt. Dazu müssen standardisierte Abläufe implementiert sein, die unverzüglich aktiviert werden können. 

 

AUTOMOBILINDUSTRIE: DIE QUALITÄTSERWARTUNGEN DER ENDKUNDEN IM WANDEL

Zweifellos verschiebt sich die Qualitätsbewertung von Seiten der Endkunden. Insbesondere fällt auf, dass es den Erfolg der Produkte mancher Hersteller offenbar wenig beeinträchtigt, wenn klassische Kriterien wie Passgenauigkeit von Teilen oder enge und präzise Spaltmaße mit etwas größeren Toleranzen versehen werden. Von einigen Fahrzeugherstellern und deren Endkunden wird die „Handwerkskunst“ jedoch weiterhin gefordert – und daher werden in dieser Hinsicht auch keine Nachlässigkeiten auf Seiten des Auftragsfertigers geduldet.

Mit dem Einzug neuer Systeme, insbesondere im Bereich ADAS und Connectivity, kommen zusätzliche qualitative Anforderungen hinsichtlich Funktionalität, Stabilität und Sicherheit hinzu. 

 

DIE WICHTIGKEIT DER PRODUKTQUALITÄT FÜR DEN ERFOLG IM MARKT

Auch wenn sich die Endkundenerwartungen zumindest teilweise ändern: Die Produktqualität ist weiterhin von zentraler Bedeutung für den Erfolg eines Fahrzeuges. Selbst wenn der Endkunde nicht alles selbst beurteilen kann, ist schon die Qualitätsanmutung wichtig für die Einordnung des Fahrzeugs im Markt.

Sie wird beispielsweise von Journalist_innen in entsprechenden Testberichten in der Fach- und Publikumspresse beurteilt und beschrieben, und beeinflusst auch die Beurteilung anderer Produktmerkmale. Daneben gibt es weitere Beurteilungsinstrumente wie Pannenstatistiken und Studien von Instituten wie JD Power, die die Qualität des Endproduktes beurteilen.

Dass das Fahrzeug am Markt der Automobilindustrie gut ankommt, ist naturgemäß auch für den Auftragsfertiger wichtig. Obwohl er nicht alles beeinflussen kann, was die Akzeptanz des Fahrzeugs bestimmt, kann er zumindest sicherstellen, dass sein Beitrag zur Kundenzufriedenheit bestmöglich erbracht wird. Dadurch sichert der Fertigungsbetrieb nicht nur seine Position gegenüber anderen Auftragsfertigern, sondern auch gegenüber den eigenen Werken des Fahrzeugherstellers.

DIGITALISIERUNG UND SOFTWAREDEFINIERTES FAHRZEUG: DIE GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN FÜR DAS QUALITÄTSMANAGEMENT 

Die zunehmende Komplexität von Systemen, deren Qualität und fehlerfreie Funktion sich nicht umfassend klassisch im Produktionsdurchlauf abprüfen lässt, reduziert letztlich die Einflussmöglichkeiten des Qualitätsmanagements in der Produktion.

Um im Zuge der Qualitätssicherung zu gewährleisten, dass nur Fahrzeuge das Werk verlassen, die in allen Punkten fehlerfrei sind – insbesondere, was die Funktionalität der softwaregesteuerten Systeme angeht – ist nicht nur der Fahrzeughersteller selbst, sondern auch der Auftragsfertiger auf zuverlässige Entwicklungsarbeit und fehlerfreie Zulieferkomponenten angewiesen.

Hier ist die Analyse besonders herausfordernd: Typisch für softwarebedingte Fehlfunktionen ist oft, dass sie nur in bestimmten Konstellationen und in besonderen Situationen auftreten – und damit nur sehr sporadisch. Im Rahmen der Endkontrolle ist es nicht möglich, alle möglichen Situationen zu testen, um die hundertprozentige Fehlerfreiheit sicherzustellen.

Um potenzielle Fehlerquellen frühzeitig herauszufiltern, wird ein enorm großer Wert auf die Sicherstellung der Lieferantenqualität gelegt. Es muss sehr akribisch gearbeitet werden, um Fehlermöglichkeiten zu entdecken und zu vermeiden. 

DIE ZUKÜNFTIGEN TRENDS BEI DER QUALITÄTSSICHERUNG

Letztlich müssen für jeden neuen Fahrzeugtyp, dessen Produktion aufgenommen wird, die Prüfverfahren und -methoden angepasst werden. Auch wenn die grundsätzlichen Prüfschritte klar sind, ist jeweils spezifisch zu entwickeln, was zur Anwendung kommt, gegebenenfalls auch gemeinsam mit dem Fahrzeughersteller und den Lieferanten der Teile bzw. Systeme.

Mit den neuen Systemen in den Fahrzeugen steigt die Datenmenge, mit der der Auftragsfertiger umgehen muss. Es wird immer wichtiger, aus diesen Daten Informationen zu extrahieren und sie so zu lesen und zu interpretieren, dass sie Rückschlüsse auf die Funktionalität des Fahrzeugs ermöglichen. Dieser Aspekt wird in Zukunft weiterhin an Bedeutung gewinnen. Dabei nutzt man auch die Unterstützung von externen Partnern und Forschungseinrichtungen, um nicht nur am Puls der Zeit zu bleiben, sondern die Zukunft auch aktiv mitzugestalten. Die klassische Qualitätssicherung in der Automobilindustrie darf und wird dabei aber nicht aus den Augen verloren. 

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Christoph Simon

Christoph Simon ist seit fast 25 Jahren bei Magna beschäftigt. Direkt nach seinem Studium der Fachrichtung Wirtschaftsingenieurwesen – Maschinenbau nahm er seine Berufstätigkeit im Geschäftsbereich Powertrain auf, schon damals im Bereich Qualitätsmanagement. Danach erfolgte die berufliche Tätigkeit in Kanada bei einem Zulieferer, ehe er, wieder zurück in Österreich, das Programmmanagement für ein großes Kundenprojekt übernahm. Nach einer zweieinhalbjährigen Tätigkeit in der Konzernzentrale als Technischer Assistent des Co-CEOs fungierte er bei Magna Powertrain als Director Quality Management Europe & Asia. Mittlerweile ist er bei Magna in Graz für das Qualitätsmanagement Complete Vehicle Manufacturing verantwortlich.

 

 

 

 

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