
Was macht ein Fahrzeug nachhaltig? Eine Einführung in automotives Ökodesign
- Dietmar Hofer
- April 13, 2023
- 8-min read
Nachhaltigkeit wurde auf allen Märkten in allen Branchen zu einem Topthema und hat oberste Priorität bei den Herstellern. In einem so global vernetzten und komplexen Gefüge wie der Automobilindustrie sind die Folgen dieser Prioritätenverschiebung weitreichend. Sowohl etablierte Fahrzeug-Hersteller als auch Marktneueinsteiger haben umfangreiche Umstrukturierungen eingeleitet, um (nahezu) Netto-Null-Emissionen zu erreichen und die grüne Zukunft anzustreben.
Solche Ambitionen sind zweifellos lobenswert, aber auch sehr schwer zu erreichen. Nachhaltigkeit ist ein hochkomplexer Aspekt der Fahrzeugplanung und erfordert interdisziplinäres Wissen sowie erhebliche Veränderungen in der Geschäftsstrategie. Am wichtigsten ist, dass nachhaltige Fahrzeugentwicklung nicht als eine Aneinanderreihung einzelner Aufgaben betrachtet werden kann und sollte. Jede Aktion führt zu mehreren Reaktionen auf der ganzen Produktionslinie und kein Problem lässt sich durch nur eine Maßnahme bewältigen.
Ziel dieses Artikels ist es, einen Überblick über nachhaltige Automobilentwicklung und -produktion zu geben. Er soll die wesentlichen Eckpfeiler einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie abdecken. Zudem zeigt er die wesentlichen Aspekte eines nachhaltigen Fahrzeuglebenszyklus auf und erläutert die großen Herausforderungen hinter einem „grünen“ Fahrzeug.
Dieser Artikel umfasst die folgenden Themen:
- Emissionen der Fahrzeugindustrie: Kennzahlen
- Nachhaltiges Ökodesign – die Grundlage einer jeden Automobilstrategie
2.1 Säule #1 Dematerialisierung: Wie können die für den Bau des Fahrzeuges benötigten Ressourcen reduziert werden2.2 Säule #2 Schadstoffkonzentration: Wie können Abfälle und Schadstoffe vermieden werden?
2.3 Säule #3 Substitution/Recycling von Materialien: Wie können Primärressourcen ersetzt werden - Nachhaltigkeit in der Automobilität: der 4-Phasen Lebenszyklus eines "grünen Fahrzeugs"
3.1 Phase #1: Material-/Komponentendesign und - produktin (Cradle-to-design)
3.2 Phase #2: Gesamtfahrzeugproduktion
3.3 Phase #3: Fahrzeugbetrieb/Nutzungsphase
3.4 Phase #4: Ende der Lebensdauer & Recycling - Lastenverschiebung: die größten Herausforderungen von Nachhaltigkeitsstrategien
4.1. Vermeiden Sie Lastenverschiebungen, indem Sie eine ganzheitliche Sicht auf Nachhaltigkeit entwickeln
- Wie Magna Sie beim Entwurf einer nachhaltigen Fahrzeugstrategie unterstützt
- Zusammenfassung
- Ausblick: 5 + 1 Gründe, warum Automobil-Startups schon im ersten Jahr scheitern
Nachhaltige Fahrzeugproduktion ist zu umfang- und facettenreich, als dass ihr ein einziger Artikel vollständig Rechnung tragen könnte. In Zukunft wollen wir jedoch tiefer in diese relevante und vielschichtige Materie eindringen und im Rahmen weiterer Artikel mehr Details beleuchten.
EMISSIONEN
DER FAHRZEUGINDUSTRIE: KENNZAHLEN
Die Fahrzeugindustrie ist eine der größten und wichtigsten Industrien weltweit, aber auch eine der am stärksten globalisierten. Im Jahr 2021 wurden über 80 Millionen Fahrzeuge produziert1, die jährlich etwa 1 Gt (Gigatonne) zu den insgesamten 49 Gt Treibhausgasemissionen (THG) beitrugen – also etwa 2 % aller globalen THG-Emissionen ausmachten. Abbildung 1 zeigt eine branchenbezogene Aufschlüsselung der Industrieemissionen.
Abbildung 1: Weltweite Gesamtemissionen verteilt auf Sektoren
Der Großteil der Emissionen, auf die sich aktuelle Nachhaltigkeitsstrategien für Fahrzeuge konzentrieren, entfällt auf das Transportsegment. Dieses umfasst alle Emissionen der tatsächlich auf der Straße fahrenden Fahrzeuge. In den letzten Jahren lag der Fokus verstärkt auf dem Wärme-/Stromsegment, in dem die meisten indirekten THG-Emissionen enthalten sind, die durch die Fahrzeugherstellung und die Automobilzulieferketten verursacht werden.
Der Fokus liegt jedoch auch auf direkten THG-Emissionen innerhalb des Industriesegments. Gemeint sind all jene Emissionen, die bei Aktivitäten rund um die Materialproduktion und in geringerem Maß auch durch Fahrzeugherstellungsprozesse verursacht werden. Diese dürfen bei weiteren Dekarbonisierungsaktivitäten der Automobil-Hersteller nicht außer Acht gelassen werden.
Die Fahrzeugindustrie hat in den letzten Jahren damit begonnen, ihre Emissionen aus der Gesamtfahrzeugherstellung zu reduzieren. Seit 2006 wurden die Gesamtemissionen der in Europa produzierten Fahrzeuge um rund 46 % vermindert (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Entwicklung der CO2-Emissionen bei der Gesamtfahrzeugherstellung in der EU
Trotzdem gibt es noch reichlich Optimierungspotenzial– insbesondere bei der Herstellung von Materialien und Komponenten in der gesamten automobilen Lieferkette. Dies bezieht sich auf die sogenannten Upstream-Scope 3-Emissionen.
Kurz gesagt: Nachhaltigkeit gilt zu Recht als ein zentrales Thema in der Automobilindustrie, da sowohl die Rohstoffgewinnung als auch die Fahrzeugnutzung große Mengen an Treibhausgasemissionen verursachen. Erfreulicherweise haben sich die meisten Fahrzeug-Hersteller und Zulieferbetriebe verpflichtet, umfassende Nachhaltigkeitsziele in ihre Strategien aufzunehmen. So will man die Gesamtemissionen und das Abfallaufkommen in der gesamten Fahrzeugproduktionskette stetig reduzieren.
NACHHALTIGES
ÖKODESIGN – DIE GRUNDLAGE JEDER AUTOMOBILSTRATEGIE
In der Fahrzeugentwicklung ist Design entscheidend – das gilt auch für das Thema Nachhaltigkeit. Wenn Automobil-Hersteller ihren CO2-Fußabdruck reduzieren möchten, ist es am effektivsten, sich gleich von Anfang an auf nachhaltiges Design (auch Ökodesign genannt) zu konzentrieren.
Drei zentrale Säulen machen bewusstes automotives Ökodesign aus.
Säule #1: Dematerialisierung: Wie kann man die für den Fahrzeugbau benötigten Ressourcen reduzieren?
Der direkteste und im Allgemeinen effizienteste Weg, Emissionen aus der Fahrzeugproduktion zu reduzieren, besteht darin, den Ressourcenbedarf des Fahrzeugs selbst so gering wie möglich zu halten. Der Begriff Dematerialisierung umfasst alle Maßnahmen, die darauf abzielen, die gleiche oder sogar höhere Produktqualität zu liefern und gleichzeitig den dafür erforderlichen Ressourcenaufwand zu reduzieren. Grundlegend dafür ist die Optimierung des Produktdesigns zur Reduzierung von Ausschussraten, d. h. von Materialverschnitt.
Der Begriff „Ressourcen“ ist in diesem Sinne nicht auf Rohstoffe beschränkt, sondern umfasst auch
- die Energie, die zur Herstellung des Autos und seiner Komponenten benötigt wird,
- sowie die für den Betrieb und die Wartung des Autos benötigten Materialien (hauptsächlich Treibstoff/Strom).
Hersteller sollten daher den Energiemix ihrer Zulieferbetriebe prüfen und selbst nachhaltigen Ökostrom nutzen.
Neben einem höheren Produktausstoß bei gleichbleibendem Material- und Energieeinsatz bedeutet die Reduzierung von Ressourcen auch eine Reduzierung des Fahrzeuggewichts. Das wirkt sich wiederum positiv auf den Kraftstoff-/Energieverbrauch aus, d. h., es verringert den Bedarf an Treibstoff oder Strom beim Tanken oder Aufladen von Fahrzeugen.
Säule #2: Schadstoffkonzentration: Wie kann man Abfälle und Schadstoffe vermeiden?
Die Herstellung und Nutzung eines Fahrzeuges, selbst eines maximal nachhaltigen Autos, verursachen selbst unter optimalen Bedingungen Emissionen. Und während der Begriff Emissionen primär mit Treibhausgasemissionen in Verbindung gebracht wird, werden durchaus auch andere Schadstoffe produziert. Diese reichen von flüchtigen organischen Verbindungen und Stickstoffdioxid bis hin zu Gummipartikeln und Verpackungsabfällen. Ein besonders dringendes Problem ist die Konzentration gefährlicher Schadstoffe, die Personen potenziell direkt schädigen.
Um ein nachhaltiges Auto zu bauen, sollte man daher die Abfallmenge möglichst reduzieren und Schadstoffe vollständig vermeiden. Beispielsweise verwenden einige Fahrzeug-Hersteller inzwischen Lacke auf Wasserbasis anstelle der üblichen lösungsmittelhaltigen Lacke. Die Lacke auf Wasserbasis sind unbedenklich und beugen somit gesundheitlichen Risiken bei den Beschäftigten im Herstellerwerk sowie im Recyclingunternehmen am Ende des Fahrzeuglebens vor.
Darüber hinaus konzentriert sich automobiles Ökodesign auch auf die Verbesserung der Luftqualität im Fahrzeuginnenraum. Denn besonders dort sollte man eine Ansammlung von Schadstoffen tunlichst vermeiden. Hierfür werden einerseits ausgewogene Umluftmodi in der Fahrzeugkabine und andererseits geeignete Innenraumfilter angewendet, wie beispielsweise HEPA-Filter mit Aktivkohleschichten. Zusätzlich verringert die Auswahl emissionsarmer Materialien für den Innenraum auch die dortige Schadstoffkonzentration.
Säule #3: Substitution/Recycling von Materialien: Wie kann man Primärressourcen substituieren?
Da auch Recycling in der Industrie immer relevanter wird, nutzt man jetzt mehr Sekundärmaterialien in den Entwicklungsstrategien für nachhaltige Autos. Der Trend, recycelte Materialien in Fahrzeugen zu verwenden, hat in den letzten Jahren zusätzlich an Zugkraft gewonnen, da die Nutzung von Sekundärmaterialien nicht nur deutlich weniger Energie benötigt. Sie gewinnen auch an Relevanz, weil neue Technologien oftmals knappe Ressourcen erfordern. Um diese optimal zu nutzen, sind nationale und übernationale Kreislaufwirtschaftsinitiativen und -gesetze entstanden.
Zudem strebt man in der Entwicklung nachhaltiger Autos danach, benötigte Rohstoffe möglichst vollständig durch umweltfreundlichere Alternativen zu ersetzen. So wird Aluminium in den letzten Jahren aufgrund des deutlich geringeren Gewichtes und der generellen Erhöhung von Sekundärmaterialien durch recyceltes Aluminium zunehmend anstelle von Stahl in Karosserien eingesetzt. Dies führt zu vorteilhaften Auswirkungen sowohl auf die Rohstoffverarbeitung als auch auf den Energiebedarf bei der Fahrzeugnutzung.
Gelungenes Nachhaltigkeitskonzept:

Abbildung 3: Die drei Säulen eines bewussten Ökodesigns
Gutes Ökodesign berücksichtigt diese drei Säulen bei jeder einzelnen Entscheidung des Planungsprozesses. Wenn eine Nachhaltigkeitsstrategie für die Automobilindustrie das erreichen soll, wofür es eingesetzt wird – nämlich die negativen Auswirkungen eines Fahrzeugunternehmens auf die Umwelt zu minimieren –, benötigen die hinter dem Projekt stehenden Automobilingenieur_innen nicht nur einen umfassenden Plan. Sie benötigen zudem das erforderliche Wissen und die Erfahrung, um Nachhaltigkeitspotenziale über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeuges zu erkennen.
4 PHASEN DES LEBENSZYKLUS EINES NACHHALTIGEN AUTOS
Nachdem die Säulen einer Nachhaltigkeitsstrategie erläutert wurden, gilt es im nächsten Schritt herauszufinden, welche konkreten Maßnahmen während eines Fahrzeuglebens umgesetzt werden können. Bei Magna verwenden wir das folgende Modell, um die Lebensdauer eines durchschnittlichen Fahrzeuges in vier Phasen zu unterteilen.

Abbildung 4: Die vier Phasen im Lebenszyklus eines jeden Fahrzeugs
In Bezug auf Nachhaltigkeit sind zwei der vier Stufen bedeutender als die anderen beiden. Der Grund dafür ist, dass während dieser beiden Phasen – Cradle-to-Gate und Fahrzeugbetrieb – deutlich mehr THG-Emissionen anfallen als in den anderen beiden Phasen – Gesamtfahrzeugproduktion und Ende der Lebensdauer & Recycling.
Schauen wir uns diese Phasen genauer an.Phase #1: Von der Wiege bis zum Werkstor (Cradle-to-Gate)
Die Cradle-to-Gate-Phase lässt sich auf Deutsch etwa mit „von der Wiege bis zum Werkstor“ übersetzen. Diese Phase umfasst alle Schritte, die zur Herstellung der einzelnen Komponenten des Autos erforderlich sind. Dazu zählen die Herstellung von Materialien wie Glas, Stahl und Aluminium; das Schweißen von Fahrzeugteilen; die Herstellung von chemischen Vorläufern und Aufbereitung von Polymeren; das Vulkanisieren von Gummi; das Schürfen von Metallen der seltenen Erden sowie die Veredelung von Sondermetallen; die Herstellung von Kabeln, Halbleitern, Mikrochips usw. Der Bau eines Autos erfordert also viele Ressourcen, Fähigkeiten und Energie. Folglich deckt diese Phase einen erheblichen Prozentsatz der Emissionen ab, die während des Fahrzeuglebenszyklus entstehen.
Dennoch gibt es einige Ansatzpunkte, um Emissionen während der Produktion zu reduzieren. Beispielsweise kann man Rohstoffe durch Sekundärrohstoffe oder umweltfreundlichere Alternativen ersetzen oder die Anzahl der benötigten Ressourcen im Allgemeinen verringern. Zudem kann man nach alternativen Energieversorgungsmethoden suchen, um Produktionsprozesse nachhaltiger zu gestalten.
Ebenso spielt der Standort des Zulieferbetriebes eine wichtige Rolle – einerseits in Hinblick auf die geografische Nähe zum eigenen Werk, um Transportwege möglichst kurz zu halten. Andererseits muss man auch lokale Nachhaltigkeitsrichtlinien und den nationalen Energiemix berücksichtigen, den man für die lokale Produktion verwendet. Idealerweise sollten Automobil-Hersteller lokale Zulieferbetriebe in Ländern mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien und strengen Umweltstandards wählen, wenn sie ihre material- und komponentenbezogenen THG-Emissionen senken und die Nachhaltigkeitsleistung insgesamt verbessern wollen.Phase #2: Gesamtfahrzeugproduktion
Diese Phase umfasst den Karosseriebau, die Lackierung und den Zusammenbau einzelner Komponenten zum endgültigen Fahrzeug. Dazu gehört natürlich auch der inner- und außerbetriebliche An- und Abtransport der Autos. In dieser Phase können Automobil-Hersteller Nachhaltigkeitsmaßnahmen am effizientesten umsetzen, da die Fahrzeugproduktion ihr Kerngeschäft ist und alle dabei verursachten Emissionen vollständig unter ihrer Kontrolle stehen.
Die in dieser Phase entstehenden Emissionen korrelieren in erster Linie mit dem Fertigungskonzept des Fahrzeug-Herstellers selbst. Daher machen Methoden zur Reduzierung von Abfall und Energieverbrauch nur einen vergleichsweisen geringen Prozentsatz der gesamten THG-Emissionen im Lebenszyklus des Fahrzeuges aus. Gleichzeitig können Hersteller die Maßnahmen direkt in ihren Produktionsstätten umsetzen und in diesem Bereich Netto-Null-THG-Emissionen erreichen.In einem der Folge-Artikel werden die Methoden zum Erreichen einer „grünen“ Produktion ausführlicher behandelt!
Phase #3:
Fahrzeugbetrieb/Nutzungsphase
Diese Phase umfasst den Fahrzeugbetrieb bei den Endkundschaft inklusive Wartungsaufwand. Die in Lebenszyklusanalysen (LCA – Life Cycle Assessments) angenommene Fahrzeuglebensdauer für durchschnittliche EU-Fahrzeuge beträgt etwa zehn Jahre bei einer Laufleistung von 200.000 Kilometern. Das entspricht einem erheblichen Anteil der gesamten Pkw-Emissionen, insbesondere bei Verbrennungsmotoren.
EVs (Elektrofahrzeuge) schneiden als nachhaltige Autos in Bezug auf die Emissionen in der Nutzungsphase viel besser ab und verursachen möglicherweise nahezu null Emissionen, abgesehen von nicht vermeidbaren. Um diesen Wert zu erreichen, sind jedoch mehrere vorteilhafte Einflussfaktoren erforderlich. Beispielsweise hängen die Netto-THG-Emissionen von der Energiequelle zum Aufladen des Autos ab. In Ländern mit geringer erneuerbarer Energieerzeugung verursacht deswegen selbst das effizienteste batterieelektrische Fahrzeug erhebliche Emissionen.
Auch hier ist die Arbeit des Engineeringteams sehr wichtig, denn die Qualität des automobilen Ökodesigns bestimmt die Effizienz und Haltbarkeit des gesamten Fahrzeuges. Es muss sichergestellt werden, dass das Fahrzeug so lange wie möglich betrieben werden kann und so wenig Energie wie möglich verbraucht. Gleichzeitig sollen aber auch Anschaffung und Unterhalt erschwinglich bleiben.Phase #4: Ende der Lebensdauer
& Recycling
In der letzten Phase des Fahrzeuglebenszyklus besteht die größte Herausforderung darin, wie das EoL (End of Life)-Fahrzeug und seine Materialien in einen nachfolgenden neuen Fahrzeuglebenszyklus zurückgeführt werden können. Fahrzeug-Hersteller achten schon seit geraumer Zeit verstärkt darauf, was mit ausrangierten Fahrzeugen geschehen soll und wie die seltenen und teuer produzierten Rohstoffe des Fahrzeuges weiterverwendet werden können.
Nachhaltiges Autodesign berücksichtigt, dass einzelne Komponenten, die kritische Rohstoffe für die Fahrzeugindustrie enthalten, leicht voneinander getrennt werden können. Dadurch können Inkompatibilitäten und andere Probleme für ein zukünftiges stoffliches Recycling vermieden werden. Insbesondere bei sehr komplexen Systemen, die aus einer Vielzahl unterschiedlicher Rohstoffe bestehen (z. B. die Batterie des Elektrofahrzeugs), ist das Recycling sehr schwierig und energieintensiv. Um den hohen Aufwand und Energiebedarf für das Recycling von EoL-Fahrzeugen zu reduzieren, müssen die Hersteller ein demontagefreundliches und verwertungsverträgliches Fahrzeugkonzept umsetzen.
Wichtig ist auch, geeignete Partner für das Sammeln, Aufbereiten, Trennen und Wiederverwenden von Bauteilen des EoL-Fahrzeuges zu finden. Auch modernste Recycling- und Wiederverwertungsverfahren können dabei helfen, Emissionen zu reduzieren. Es sollte möglich sein, Rohstoffe, die nicht mehr in die Fahrzeugteileproduktion zurückgeführt werden können, in anderen Branchen zu recyceln. Natürlich müssen auch die Recyclingpartner selbst ihre Recyclingprozesse optimieren und weiter verbessern sowie ihre eigenen, spezifischen Umweltbelastungen reduzieren. Nur so kann das Auto als Gesamtkonzept nachhaltig werden.
Checkliste für eine nachhaltige Fahrzeugentwicklung
Der wichtigste erste Schritt, um eine effektive Fahrzeug-Nachhaltigkeitsstrategie aufzustellen, besteht darin, die richtigen Fragen zu stellen. Dadurch können das größte Potenzial zur Reduzierung der Umweltauswirkungen eines Fahrzeugs identifiziert, die Produktionseffizienz gesteigert und Ökodesign-Aspekte verbessert werden. Aus diesem Grund nutzen wir bei Magna einen umfangreichen Fragenkatalog und Checklisten, um die Wirkung und Relevanz einzelner Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu ermitteln. Über folgenden Link erhalten Sie Zugang zu einer solchen Checkliste.
LASTENVERSCHIEBUNG:
WARUM NACHHALTIGKEIT NICHT DURCHINSELLÖSUNGEN FUNKTIONIERT
Damit sind die beiden wichtigsten Grundlagen einer Strategie für Produktnachhaltigkeit und Fahrzeugökodesign gelegt. Allerdings ist es jetzt notwendig, Zeit und Ressourcen zu investieren, um wirklich einen nachhaltigen positiven Nettoeffekt zu erzielen. Denn eine gute Nachhaltigkeitsstrategie erfordert ein angemessenes Maß an Fachwissen und Planung, um jenen Effekt zu vermeiden, den wir bei Magna als „Lastenverschiebung“ bezeichnen.
Lastenverschiebung bedeutet kurz gesagt, dass die Umsetzung von Maßnahmen zur Emissionssenkung in einer Phase des Fahrzeuglebenszyklus gleichzeitig in einer anderen Phase negative Auswirkungen haben kann. Anstatt die Netto-THG-Emissionen zu reduzieren, verlagern sie sich lediglich an eine andere Stelle. Im schlimmsten Fall können die Maßnahmen die gesamten THG-Emissionen tatsächlich erhöhen, auch wenn die angestrebte Lebenszyklusphase jetzt „sauberer“ ist als zuvor.
Abbildung 5: Die Lebenszyklusemissionen eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotors und eines Elektrofahrzeugs
Die Elektrifizierung des Landverkehrssektors ist aus ökologischer Sicht eine gute Sache, daran besteht kein Zweifel. Elektrofahrzeuge verursachen während ihrer Nutzungsphase praktisch keine Emissionen im Vergleich zu ca. 116 g CO2/km, die ein durchschnittliches europäisches Fahrzeug mit Verbrennungsmotor ausstößt. Dennoch stimmt es, dass die Produktion von Elektrofahrzeugen von einer deutlich höheren Menge an Sondermetallen (wie Lithium, Nickel, Kobalt oder Mangan) und seltenen Erden abhängt. Deren Abbau verursacht jedoch hohe Treibhausgasemissionen. Auch die Erzeugung des zum Laden von Elektrofahrzeugen benötigten Stromes könnte hohe Treibhausgasemissionen verursachen, besonders wenn er von Kraftwerken erzeugt wird, die auf fossilen Ressourcen wie Erdgas, Öl oder Kohle basieren. (Siehe Abbildung 5 für einen THG-Vergleich von ICEs (Internal Combustion Engine; zu deutsch „interner Verbrennungsmotor“) und EVs in Bezug auf die Nachhaltigkeit von verschiedenen Autotypen.)
Vermeiden Sie
Lastenverschiebungen, indem Sie eine ganzheitliche Sicht auf Nachhaltigkeit
entwickeln
Bereits minimale Faktoren können gegebenenfalls zu einer negativen Lastenverschiebung führen. Beispielsweise könnte ein Montagekonzept nicht berücksichtigen, dass EV-Batterien selbst ein komplexes System sind und ein passendes Recyclingkonzept erfordern. In der Praxis werden viele der für Lithium-Ionen-Batterien verwendeten Spezialmetalle für Antriebsstränge von Elektrofahrzeugen immer noch unzureichend recycelt. Denn ihre komplexe Anordnung macht es schwierig, die einzelnen Komponenten zu extrahieren.
Eine ausgewogene Nachhaltigkeitsstrategie eines Autos muss berücksichtigen, wie sich Änderungen eines Bereiches des Fahrzeuglebenszyklus auf die anderen Bereiche auswirkt. Auto-Hersteller müssen bewusste Entscheidungen darüber treffen, welche Ressourcen sie einsetzen, mit welchen Zulieferbetrieben sie zusammenarbeiten und wie sich jede funktionsbezogene Entscheidung auf die Treibhausgasemissionen und die Recyclingfähigkeit des Endproduktes auswirken. Ansonsten kann es passieren, dass scheinbar ökologisch vorteilhafte Entscheidungen für eine Phase einfach die Umweltbelastungen in einen anderen Bereich des Fahrzeuglebenszyklus verlagern.WIE MAGNA SIE BEI DER FORMULIERUNG IHRER NACHHALTIGEN FAHRZEUGSTRATEGIE UNTERSTÜTZT
So einfach es klingen mag, Nachhaltigkeitskonzepte in ein Gesamtfahrzeug umzusetzen, ist dies in der Praxis dennoch ein gewaltiges Unterfangen – insbesondere für Startups und Neueinsteiger im Fahrzeugmarkt. Denn das Thema Nachhaltigkeit selbst ist unglaublich komplex.
Um beispielsweise die Anzahl der Ressourcen zu reduzieren und gleichzeitig die Produktqualität, Erschwinglichkeit und Sicherheit auf höchstem Niveau zu halten, sind fortgeschrittene Design- und Konstruktionskenntnisse sowie sowohl die notwendigen Werkzeuge als auch die Infrastruktur erforderlich, die zum Sammeln und Interpretieren der geforderten Daten nötig sind.
Auf der Makroebene konzentriert sich dieser Artikel hauptsächlich auf die Verringerung der gesamten Treibhausgasemissionen, somit des CO2-Fußabdruckes von Autos. Dennoch gibt es auch hier nicht diskutierte wirtschaftliche und soziale Aspekte der Nachhaltigkeit, die ebenso wichtig sind.
Die Gesamtziele von Nachhaltigkeitsstrategien sind zwar in der gesamten Branche weitgehend gleich, es gibt jedoch keinen einheitlichen Ansatz dafür, welche Maßnahmen für ein Fahrzeugunternehmen sinnvoll oder überhaupt möglich sind. Es gibt daher viele verschiedene Möglichkeiten, wie man ein Auto nachhaltig gestalten kann.
Aus diesem Grund umfasst der One-Stop-Shop-Service von Magna die volle Unterstützung bei der Entwicklung und Umsetzung individueller Nachhaltigkeitsstrategien für unsere Partner. Dank unserer langjährigen Erfahrung in der Fahrzeugentwicklung und -produktion sowie unserer Pionierarbeit in Bezug auf eine effiziente und nachhaltige Fahrzeugherstellung verfügen wir über die Fähigkeiten, die Infrastruktur und das Personal, die erforderlich sind, um das gesamte Fahrzeug in jedem Schritt seines Lebenszyklus zu optimieren.Fassen wir die wichtigsten Punkte dieses Artikels zusammen:
Sinnvolles automobiles Ökodesign basiert auf drei Säulen:
- Der Ressourcenbedarf für Fahrzeuge im Allgemeinen sollte sinken.
- Abfälle und Emissionen sollte man auf das geringstmögliche Maß minimieren, gefährliche Schadstoffe langfristig vollständig vermeiden.
- Primärressourcen sollten durch Sekundärressourcen oder nachhaltigere Alternativen ersetzt werden.
Bei der Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie muss man diese drei Säulen auf den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeuges anwenden, der aus vier Phasen besteht:
- Der vollständige Prozess der Konstruktion sowie der Herstellung der Rohstoffe und Komponenten des Gesamtfahrzeuges, auch Cradle-to-Gate genannt. Diese Phase ist besonders in der EV-Produktion zu berücksichtigen, da die Herstellung ihrer Lithium-Ionen-Batterien komplex und ressourcenintensiv ist.
- Die Produktion des gesamten Fahrzeuges, einschließlich An- und Abtransport.
- Die eigentliche Nutzungsphase des Fahrzeuges.
- Die End-of-Life-Phase, in der das Fahrzeug von Schadstoffen befreit und demontiert wird sowie seine Rohstoffe recycelt werden, um sie als sekundäre Ressourcen wieder in den Lebenszyklus zu integrieren. Auch hier sind EV-Batterien besonders schwer zu recyceln.
Bei der Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie ist es wichtig, den gesamten Lebenszyklus im Blick zu behalten. Betrachtet man einzelne Lebenswegabschnitte nur einzeln und unabhängig voneinander, können reduzierte Emissionen eines Bereiches einfach in einen anderen verschoben werden.
Magna kann Automobil-Hersteller beim Aufbau ihrer Nachhaltigkeitsstrategie als Teil ihres Automotive One-Stop-Shop-Services unterstützen.
Wie dieser Artikel zeigt, ist Nachhaltigkeit letztlich eine Frage guter Gestaltungsprinzipien. Das Engineering- und Designteam hinter einem Automobilprojekt kann einen großen Unterschied bei den Umweltauswirkungen des Fahrzeuges ausmachen. Denn der CO2-Fußabdruck eines Produktes hängt von jeder Aktivität, von den ersten Skizzen bis zum Produktionsstart, ab. Wenn das Team über die Ressourcen und das nötige Wissen verfügt, um die drei Säulen eines sinnvollen Ökodesigns in der Planung zu berücksichtigen und die Idee der Kreislaufwirtschaft am Leben zu erhalten, dann sind Fahrzeug-Hersteller in einer hervorragenden Position, um ein wirklich nachhaltiges Auto zu schaffen.
1: Based on average 12,5 tons CO2e per vehicle (raw materials & components production, vehicle manufacturing, logistics); 12,5 t CO2e/vehicle x 80 Mio. vehicles = 1 Gt CO2e. Average annual total GHG emissions of 50 Gt CO2e based on published data for net global greenhouse gas (GHG) emissions acc. latest IPCC AR6, 2023.
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Dietmar Hofer
Dietmar Hofer ist Senior Technical Engineer bei Magna Steyr Graz. Er war zunächst von 2004 bis 2019 und ist erneut seit 2020 bei Magna und arbeitet als technischer Ingenieur in verschiedenen Bereichen, darunter Testung, Teamintegration und Umweltschutz. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung in Ökodesign und Nachhaltigkeitsprojekten mit besonderem Schwerpunkt auf Ökobilanzen, Recycling und umweltfreundlichem Produktdesign. Er ist Diplom-Ingenieur für Verfahrenstechnik und hat Zusatzausbildungen in u. a. Nachhaltigkeitsforschung und Ökodesign absolviert.
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