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Digital im Interesse von Resilienz und Nachhaltigkeit – Multi-OEM-Logistik beim Auftragsfertiger der Automobilindustrie

Die Teile- und Produktionslogistik ist bei einer komplexen Fertigung wie in der Automobilindustrie immer eine herausfordernde Aufgabe. Im besonderen Maße gilt das für einen Auftragsfertiger, der für mehrere Fahrzeughersteller arbeitet. Im Vergleich zu einem Automobilhersteller, der im eigenen Werk produziert, birgt die Zusammenarbeit mit einer weitaus größeren Anzahl an Zulieferern besondere Herausforderungen.

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MULTI-OEM-LOGISTIK: UNTERSCHIEDLICHE ÄUßERE STRUKTUREN

In einer Multi-OEM-Fertigung sind die Rahmenbedingungen andere als in einer typischen Herstellerfabrik: Man hat unterschiedliche Produkte, die eine unterschiedliche Struktur haben. Für die unterschiedlichen Produkte haben die Hersteller unterschiedliche Sourcing-Strategien vereinbart. Verschiedene Lieferanten verwenden häufig unterschiedliche Teilenummernsysteme, Verpackungen und Ladungsträger.

Das erzeugt eine komplexere Situation als bei einer geringeren Anzahl von Lieferanten, die nach einheitlichen Systemen und mit einheitlichen Prozessen arbeiten. Die besondere Herausforderung für die Logistik eines Multi-OEM-Fertigers besteht unter anderem darin, sie trotz der unterschiedlichen Kundenanforderungen mit möglichst standardisierten Prozessen optimal zu gestalten.

Dazu kommt, dass auch die Intralogistik komplexer ist – etwa, wenn konzeptbedingt bei unterschiedlichen Fahrzeugen unterschiedliche Verbaustationen für die gleichen Module oder Komponenten erforderlich sind. Das erhöht beispielsweise die Anforderungen an die Sequenzierung intern, damit die Komponenten zeitgerecht für das jeweilige Fahrzeug an die Linie gebracht werden können. Dafür ist eine besonders präzise Steuerung der Lieferketten der vielen Lieferanten erforderlich; für die Produktion bei Magna in Graz kommen Zulieferteile und -module derzeit von etwa 1700 unterschiedlichen externen Abholorten, die im Logistik-Netzwerk verwaltet und gemanagt werden müssen.

UNTERSCHIEDLICHES SOURCING JE NACH PROJEKT

Wer die Zulieferer bestimmt, ist vom jeweiligen Projekt abhängig – je nachdem, wie das Sourcing vereinbart ist. Es gibt dabei eine große Bandbreite von Möglichkeiten: Angefangen davon, dass der Hersteller für das Sourcing verantwortlich ist und die zu verwendenden Teile oder kompletten Module beauftragt. Am anderen Ende des Spektrums steht die komplette Übergabe des Sourcings an den Auftragsfertiger. Dieser Weg kann speziell für New Entrants attraktiv sein, die sich mit derlei Aktivitäten nicht befassen können oder möchten – und deshalb gerne alles an einen zuverlässigen Partner auslagern.

In jedem Fall muss der Auftragsfertiger aber die gesamte Logistik übernehmen: von der Inbound-Logistik (der Materialanlieferung) über die Intra-Logistik (die Prozesse im Werk) bis hin zur Outbound-Logistik, der Ablieferung der fertigen Fahrzeuge. Der Hersteller-Auftraggeber kann sich jedoch für die für ihn optimal passende Lösung entscheiden.

TRANSPARENTE LIEFERKETTEN FÜR HÖHERE RESILIENZ

Nicht erst die globalen Probleme der zurückliegenden Jahre – die Covid-Pandemie, die Suezkanal-Blockade und diverse Konflikte – haben mit unerwarteten Unterbrechungen der Lieferketten gezeigt, wie vulnerabel das weltweit übliche System der Warenlieferungen ist. Ganze Branchen standen längere Zeit faktisch still, weil Material fehlte. Natürlich hat ein Auftragsfertiger in der Automobilindustrie kaum Einflussmöglichkeiten, die Ursachen für den ins Stocken geratenen Warenfluss kausal zu beseitigen. Dennoch wurden Instrumente entwickelt, um eine höhere Resilienz bei solchen Störungen zu erreichen.

Eine wichtige Strategie, die Folgen zumindest zu minimieren, ist die Etablierung einer transparenten Lieferkette. Bei Magna wird daher schon seit über 20 Jahren konsequent daran gearbeitet, auch die Transportlogistik transparent zu machen, um besser vor Störungen gewappnet zu sein. Auch vor der Pandemie gab es wiederholt weltweite Krisen, auf die hin die Störanfälligkeit der Lieferketten schmerzlich spürbar geworden ist, etwa die Weltfinanzkrise 2007 oder die Fukushima-Katastrophe 2011.

Bei Magna wurde schon 2003 ein übergreifendes Transportmanagementsystem eingeführt und seither weiterentwickelt, um Transparenz in die Lieferketten zu bringen. Faktisch wurde punktgenau einen Tag, bevor der Covid-Shut-Down in Kraft trat, das letzte Update in diesem System ausgerollt, sodass die Lieferketten von einem auf den anderen Moment wie mit einem Schalter abgeschaltet werden konnten.

Natürlich beseitigt das nicht das Problem der ausbleibenden Materiallieferungen. Aber je frühzeitiger mögliche Störungen erkannt werden, desto mehr Zeit bleibt dem Fertigungsbetrieb, zu reagieren und gegenzusteuern, um die Auswirkungen zu mindern.

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DIGITALISIERUNG DER LIEFERKETTE ALS VORAUSSETZUNG FÜR DEREN TRANSPARENZ

Der Weg, den Materialfluss vom Lieferanten über die gesamte Transport- und Logistikkette bis zur Verbaustation an der Linie sichtbar zu machen, führt unausweichlich über die Digitalisierung der Logistik. Die Digitalisierung ist hier nicht nur ein Schlagwort und Selbstzweck. Sie schafft die Möglichkeit, jederzeit für jede Materiallieferung nachvollziehen zu können, wo sie sich gerade befindet. So kann festgestellt werden, ob Störungen auf dem Weg ins Werk und an der Montagelinie auftreten und wie lange diese voraussichtlich dauern.

Bei Bedarf können geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um einen Stillstand der Produktion zu vermeiden. Das Ziel ist dabei, dem Materialdisponenten frühzeitig den Status und die voraussichtliche Ankunft der Teile auf Teilenummernebene zur Verfügung zu stellen.

Die erste Voraussetzung dafür sind integrierte IT-Systeme. Ein gut funktionierendes ERP-System leistet die Materialbedarfskalkulation im Werk inklusive der Abrufe bei den Lieferanten. Darauf setzt das Transportmanagementsystem auf, das auf kollaborativer Ebene auch die Lieferanten und Dienstleister mit in die Prozesse einbindet. So lässt sich eine Real Time Transport Visibility erzielen – wie sie bei Magna schon seit einigen Jahren zur Verfügung steht.

 

GEGENMASSNAHMEN IM FALL VON UNTERBROCHENEN LIEFERKETTEN

Für hochkritische Transporte wird das Real Time Tracking bei Magna schon seit 2016 eingesetzt. Dadurch wird automatisiert gemeldet, wenn ein Transport nicht planmäßig eintreffen wird. Dies ist besonders wichtig, da mögliche Gegen- oder Ausweichmaßnahmen umso einfacher und letztendlich auch kostengünstiger umgesetzt werden können, je früher man von ihrer Notwendigkeit erfährt.

Vorteilhaft kann es für einen Multi-OEM-Fertiger wie Magna sein, wenn mehrere unterschiedliche Fahrzeuge auf einer Linie gefertigt werden – und spezifische Materiallieferungen für eines der Produkte ausfallen. Laufen etwa zwei oder drei unterschiedliche Baureihen auf einer Linie, besteht zumindest grundsätzlich die Möglichkeit, Betrieb und Auslastung der Linie temporär aufrecht zu erhalten, indem dort verstärkt die anderen Fahrzeugtypen produziert werden.

Natürlich wird das nur rentabel sein, wenn es sich um eine voraussehbar längere Störung handelt. Denn die Änderung der Produktionspläne erfordert auch wieder aufwendige Umschichtungen der Logistik, die eine gewisse Vorlaufzeit benötigen. Und es wird nur funktionieren, wenn die Auftragslage eine solche Umschichtung der Stückzahlen erlaubt.

DIGITALE SUPPLY-CHAIN-OPTIMIERUNG

Ein grundlegend neuer Ansatz ist die digitale Optimierung der Lieferkette. Bei Magna wird diese Durchleuchtung der Materiallogistik unter dem Namen DiSCO geführt – eine Abkürzung für „Digitale Supply-Chain-Optimierung“. Hinter diesem System, das vom österreichischen Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik mit einem Preis ausgezeichnet wurde, steckt das Konzept der ganzheitlichen Erfassung aller relevanten Beschaffungsprozesse und -bereiche, um die Kosteneffizienz zu steigern.

Ziel ist, die Logistik-Kosten – und damit die Herstellkosten – gesamtheitlich zu minimieren, anstatt nur isoliert einzelne Kostenfaktoren zu betrachten. Denn deren Einzeloptimierungen können teilweise im Widerspruch zueinander stehen. Beispielsweise senkt zwar die Minimierung der Materialbestände die Lagerkosten, erfordert aber häufigere Transporte. Oder die isolierte Wahl des günstigsten Transportweges kann die Bestellaufwendungen erhöhen oder einen erhöhten Kommissionieraufwand erforderlich machen. Bei DiSCO wurde in Zusammenarbeit mit einem externen Partner ein mathematisches Modell und eine Methode entwickelt, um ein Gesamtoptimum zu finden.

Dabei werden die Supply-Chain-Kosten hinsichtlich der Gesamtkosten optimiert – angefangen von den Bestellkosten über den Transport, die Ladungsträgerkosten, die Manipulation im Werk, den innerbetrieblichen Transport, die Lagerhaltung und die Sequenzierung bis hin zu den Kosten des in der Ware gebundenen Kapitals im Werk wie auch auf der Transportstrecke. Durch Analyse der vorhandenen Daten wird mittels eines intelligenten Algorithmus für jedes Bauteil die optimale Lieferfrequenz ermittelt, wobei sich auch ergeben hat, dass beispielsweise ein etwas höherer Lagerbestand wirtschaftlich sein kann, wenn dadurch Transporte eingespart werden können und so die Gesamtkosten günstiger sind.

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REAL TIME TRACKING ALS VORAUSSETZUNG FÜR LONG DISTANCE JIS

Bei relativ großformatigen Teilen, bei denen es zudem eine große Varianz gibt (etwa den Autositzen), ist eine Sequenzierung schon beim Lieferanten und eine JIS-Zuführung (Just In Sequence) direkt an der Linie der optimale und inzwischen branchenübliche Weg. Früher funktionierte das aber nur bei Lieferanten, die in der Nähe des Werks ansässigen waren. Inzwischen funktioniert die JIS-Teilezuführung auch über größere Distanzen und längere Zeiträume.

Die Idee hinter Long-Distance-JIS ist, eine längerfristige Perlenkette aufzubauen. Über sieben oder mehr Tage hinweg wird die Reihenfolge der Fahrzeugaufträge fix gehalten. So lässt sich auch bei Zulieferungen über längere Distanzen sehr genau vorherbestimmen, wann beispielsweise welcher Sitz zum Einbau kommen muss. Dieses Programm wird auch dem Lieferanten zur Verfügung gestellt, wodurch dieser eine längere Vorlaufzeit für (wie im Beispiel) den jeweiligen definierten Sitz hat. So kann auch er seine eigene Fertigung flexibler auslasten und ist nicht mehr so eng standortgebunden.

Eine der Voraussetzungen, um das Long-Distance-JIS störsicher umsetzen zu können, war bei Magna die Einführung des Real Time Tracking bis hinunter auf die Ebene des einzelnen Lkw-Aufliegers. Deshalb wurde das MIATT genannte System – die Abkürzung steht für Magna Intelligent Arrival Trailer Tracking – bei den Long-Distance-JIS-Lieferungen zuerst eingesetzt. Damit die JIS-Teilezuführung funktioniert, müssen auch die Lkw-Auflieger ihre Sequenz beibehalten und deshalb einzeln im System erfasst und identifiziert werden können. 

PAPIERLOSER WARENFLUSS ERSPART RELABELING

Ein wichtiger Schritt zur Optimierung der internen Logistik, der gleichzeitig Kosten und Aufwand spart und den Ressourcenverbrauch reduziert, war die Einführung des papierlosen Wareneingangs. Die Entladelisten werden am Tablet aufgerufen und den Mitarbeitenden standardisiert zur Verfügung gestellt. Zudem wird die angelieferte Ware durch ein standardisiertes Label, das schon vom Lieferanten aufgebracht wird, erfasst. So entfallen aufwendiges Umetikettieren und das Anbringen zusätzlicher interner Information an den angelieferten Teilen. 

INTELLIGENTE LOGISTIK DIENT DER NACHHALTIGKEIT

Die gesamtheitliche Betrachtung der Logistik dient nicht nur der Kostenoptimierung – die wiederum den Kunden, also den Herstellern zugutekommt – auch der Verbesserung der Nachhaltigkeit. Denn ein Transport, der vermieden werden kann, verbraucht keine Energie und verursacht damit auch keine Emissionen.

Den gleichen Zweck verfolgt auch die digitale Lieferkettenoptimierung. Transporte können vermieden, die vorhandenen im Interesse der Effizienz besser ausgelastet werden. Deswegen ist DiSCO ein wichtiger Baustein der Bemühungen, Magna insgesamt CO2-neutral zu machen und die Produktion den Anforderungen des Umwelt- und Klimaschutzes anzupassen.

Weitere Maßnahmen auf diesem Weg, die Logistik betreffen, sind

  • die Verlagerung von Transporten auf Schienen,
  • die Durchführung unvermeidlicher Shuttleverkehre mit alternativen Antrieben und
  • die Vermeidung von Verpackungen, indem Mehrweg-Ladungsträger und -verpackungen verwendet oder zumindest
  • alle Altstoffe recycelt werden.

Viele größere und kleinere Schritte ergänzen sich hier mit Maßnahmen in anderen Bereichen der Fertigung zu einem gangbaren Weg in Richtung einer emissionsfreien Produktion der Automobilindustrie. 

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Head shot Alfons Dachs Wiesinger

Alfons Dachs-Wiesinger

Alfons Dachs-Wiesinger verantwortet den Bereich Logistics Network bei Magna in Graz. Nach seinem Studium an der TU Graz im Fach Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau und mehreren Stationen in der Automobilindustrie – zunächst bei einem amerikanischen Hersteller – trat er 2002 in das Unternehmen ein. Seine jetzige Position hat er seit 2017 inne.

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