
Fahrzeugdesign & Fahrzeugplattform-Entwicklung – alles, was man wissen muss
- Willhelm Dietrich
- Juni 10, 2022
- 4-min read
Unsere vorhergehenden Artikel haben bereits beleuchtet, dass die Automobilwelt derzeit einen großen Wandel durchläuft. Während Elektrofahrzeuge immer mehr an Fahrtwind bekommen und konventionelle Fahrzeugstrukturen langsam auslaufen, gestaltet sich die Fahrzeugplattform-Entwicklung zunehmend anpassungsfähiger. Komponenten und Systeme können in ihrer Entwicklung immer einfacher implementiert und kombiniert werden. Automobil-Hersteller erreichen mit neuen Konzepten und Ideen eine beispiellose Flexibilität. OEMs und Neueinsteiger wiederum genießen auf dem Automobilmarkt die zahlreichen Vorteile von Fahrzeugmarken, deren strukturelle Grundlagen sich nicht an Größen- und Gewichtsgrenzen halten müssen.
Mehr denn je dreht sich die Frage, wie man ein Auto gestaltet und entwickelt, darum, es anpassungsfähig zu planen und somit in verschiedene Varianten transformieren zu können. Es geht darum, die optimale Verbindung zwischen der Leistung eines Fahrzeuges, seinen Funktionen und seinem Styling zu finden. Dennoch müssen sich Autoingenieur_innen und Designer_innen an die neuen Konventionen in der EV-Fertigung anpassen.
Dieser Artikel erläutert das Design von Fahrzeugplattformen ausführlicher. Er skizziert die wesentlichen Faktoren von Fahrzeugplattform-Designs, wie sie ineinandergreifen und die größten Herausforderungen und Chancen, die sich beim Design einer Pkw-Plattform ergeben. Zudem wird erklärt, was genau ein Fahrzeug „modular“ macht.
WAS IST FAHRZEUGPLATTFORM-DESIGN?
Im Wesentlichen dreht sich die Fahrzeugplattform-Entwicklung um eine große Frage: Wie kann das Automobilprojekt realisiert werden? Um diese Frage zu beantworten, muss das Gesamtfahrzeug aus drei Perspektiven betrachtet werden.
Perspektive #1: Geometrie & Struktur
Beim Automobildesign und -architektur muss man vorneweg das tatsächliche Layout der Fahrzeugplattform berücksichtigen. Während der Aufstieg von Elektrofahrzeugen die Fahrzeugplanung erheblich verändert hat, sind gewisse Komponenten wie Batteriepakete, ein Fahrgestell, eine Karosserie, ein Lenker_innenplatz etc. zwingend notwendig.
Für dasselbe Modell existieren normalerweise bestimmte Derivate betreffend die Innenausstattung, von der Anzahl der Passagiersitze über die Höhe bis hin zur Position einzelner Elemente. Mit Zunahme der Plattform-Modularität (auf die wir gleich noch zu sprechen kommen) muss die Struktur unterschiedliche Größen- und Gewichtsklassen berücksichtigen. Wenn ein Fahrzeug eine unterschiedliche Anzahl von Batteriepaketen unterstützen muss oder für zwei Märkte an zwei verschiedenen Standorten hergestellt wird, muss seine Struktur so ausgelegt sein, dass diese Unterschiede den Rest des Autos nicht beeinflussen.1
Perspektive #2: Funktionale Eigenschaften, Systemfunktionen & Elektronik
Der zweite wichtige Faktor, der sich auf die Konstruktionsweise eines Autos auswirkt, sind seine Funktionen und technischen Eigenschaften. Diese reichen von kompletten Fahrzeugfunktionen wie Innenraumakustik, Sicherheitsbewertungen und Höchstgeschwindigkeit bis hin zu systemspezifischen Elementen wie dem Vorhandensein von elektrischer und elektronischer Architektur, bestimmten ADAS-Systemen oder der Batterieleistung. Funktionen bestimmen, wie das Fahrzeug in bestimmten Bereichen abschneidet und was es der Kundschaft bieten kann.2
Perspektive #3: Styling & Look-and-feel
Natürlich sind Funktionen nicht der einzige relevante Aspekt für die Endkundschaft. Hinter jeder Fahrzeugidee steht eine Vision, ein Gesamtbild, das dieses Auto der Öffentlichkeit vermitteln soll. Wie es von außen geformt ist, wie es während der Fahrt aussieht und sich anhört, wie sein Innenraum gestaltet ist, wie es sich anfühlt, in das Auto einzusteigen, es zu starten und zu fahren – all dies definiert das Fahrerlebnis und lässt die Vision seines Herstellers real werden. Das Styling eines Fahrzeuges legt oftmals auch die Grenzen fest, in denen man ein Fahrzeug realisieren kann. Es kann aber ebenso als Kitt fungieren, der eine Fahrzeugserie zusammenhält.3
Wie man Autodesign umsetzt
Diese drei Perspektiven aufeinander abzustimmen, verläuft nicht immer reibungslos. Bauliche Einschränkungen, funktionale Anforderungen und Gestaltungsrichtlinien stehen in mehreren größeren und kleineren Bereichen der Fahrzeugplattform-Entwicklung oft im Widerspruch zueinander. Gutes Automobildesign erfordert, den optimalen Mittelweg zwischen Struktur, Funktionalität und Styling zu finden.
Eines der zahlreichen Merkmale, die für die genaue Kontur eines Autos relevant sind, ist beispielsweise die Aerodynamik eines Fahrzeuges. Sie wirkt sich primär auf die Höchstgeschwindigkeit und die Kraftstoff- bzw. Batterieeffizienz eines Autos aus. Zudem bestimmt sie sekundär die Innenakustik und sogar, wie gut Schmutz von der Autooberfläche abfällt. Daher ist es ein wichtiges Ziel guten Designs, aerodynamische Effizienz durch Reduzierung des auf ein Fahrzeug wirkenden Auftriebes und Luftwiderstandes zu erreichen.
Dabei hängt die Aerodynamik als Eigenschaft in erster Linie von der Größe und Form eines Fahrzeuges ab. Seine Front, die Anzahl der Oberflächenöffnungen usw. beeinflussen, wie ein Auto durch die Luft „schneidet“. Betrachtet man aber nur die funktionale Seite, dann hätte jedes Fahrzeug auf dem Markt im Wesentlichen die Form eines Hochgeschwindigkeitszuges. Dies würde sich natürlich nicht nur auf das Styling des Fahrzeuges auswirken, sondern auch auf mögliche Kosten, Fahrgastkomfort und andere Merkmale wie Akustik oder Fahrzeugschnittstelle.
Gutes Fahrzeugdesign muss daher einen Mittelweg finden, der einen minimalen cw-Wert (Luftwiderstandsbeiwert) beibehält, ohne andere relevante Merkmale oder sein Design zu beeinträchtigen. Und es muss auch die baulichen Voraussetzungen seiner Plattform-Struktur einhalten. Dies gilt für alle Funktionen und Attribute eines Fahrzeuges. Daher ist bereits in der Fahrzeugplattform-Entwicklung ein kompetentes und zuverlässiges Team in den Bereichen Fahrzeugdesign und -architektur unerlässlich. In der Aerodynamik nutzt man außerdem Simulationswerkzeuge, um erforderliche Daten zu sammeln und das Design in weiterer Folge zu verbessern.
DIE GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN BEI DER FAHRZEUGPLATTFORM-ENTWICKLUNG
Es gibt jedoch noch zahlreiche weitere Faktoren, die das Fahrzeugdesign maßgeblich beeinflussen. Diese beziehen sich weniger auf das Fahrzeug selbst, sondern mehr auf den Gesamtkontext des Automobilmarktes.
Die neuen Konventionen des EV-Marktes
EVs (Electric Vehicles) und ähnliche technologische Entwicklungen haben das Innenleben der Automobilwelt auf den Kopf gestellt. Fahrzeuge müssen nun deutlich andere Standards einhalten, da die Kundschaft heute Werte wie Sicherheit, Nachhaltigkeit, Komfort oder Softwarefeatures priorisiert. Dies ist auch auf neue rechtliche Aspekte durch ADAS-Systeme oder In-Car-Entertainment zurückzuführen.
Da elektrifizierte Lösungen den traditionellen Antriebsstrang nach und nach ersetzen, müssen Hersteller ihre Liefernetzwerke sowie ihre Produktionsprozesse verändern. Und angesichts der vollelektrischen Natur von Elektrofahrzeugen übernimmt ihre E/E-Architektur (Elektrik/Elektronik) jetzt eine viel ausgeprägtere und zentrale Rolle im Fahrzeuginneren. Designer_innen und Architekt_innen sind von diesen Veränderungen natürlich nicht ausgenommen. Bei der Planung müssen sie nun die Fahrautomatisierung, aber auch zunehmende Infotainment-Funktionen berücksichtigen. Daher wächst die Notwendigkeit, eine HMI (Human-Machine Interface, auf Deutsch: Mensch-Maschinen-Schnittstelle) zu implementieren, um sich diesem neuen „Computer auf Rädern“-Ansatz anzupassen. Diese Veränderungen sowie der Markteintritt neuer Hersteller haben die Geschwindigkeit erhöht, mit der neue Innovationen und effiziente Konzepte auf den Markt kommen – wobei Modularität und Flexibilität weiterhin im Mittelpunkt der Fahrzeugplattform-Entwicklung stehen.
Gemeinsamkeiten über verschiedene Märkte und Modelle hinweg
Da bei Fahrzeugplattformen die Wiederverwendung von Komponenten das oberste Gebot darstellt, ist Kompatibilität von zentraler Wichtigkeit. Es geht nicht nur darum, wie viel von einem Auto über alle Derivate geteilt werden kann, sondern auch, wie diese Komponenten als möglichst effizientes Set angeordnet und welche Proportionen ihnen erlaubt sind. Ein großer und leistungsstarker Akku ist zwar wünschenswert – dennoch muss man eventuelle Abstriche machen, wenn seine Proportionen mit einem anderen, wichtigeren Feature oder einer anderen Fahrzeugvariante nicht kompatibel sind.
Dies ist nicht nur auf Derivate beschränkt. Sobald ein Fahrzeug eine globale oder multiregionale Veröffentlichung anstrebt, können sich viele Entwicklungsaspekte drastisch ändern: von gesetzlichen Rahmenbedingungen über die unterschiedlichen Bedingungen der Entwicklungsinfrastruktur bis hin zu den Anforderungen der Kundschaft. Eine Einführung in mehreren Regionen zwingt die Hersteller dazu, die Effizienz ihres Designs zu überdenken.
Das große Potenzial modularer Fahrzeugplattformen
Die Modularität der Plattformen hat sich als Antwort auf immer höhere Entwicklungsgeschwindigkeiten, steigende Kosten und den allgemeinen Trend zu einem diversifizierteren Produktportfolio etabliert. Modularität bezeichnet das Konzept, das komplette Fahrzeug in standardisierte Komponenten zu zerlegen, die von einer breiteren Palette von Fahrzeugen gemeinsam genutzt werden können.
Generell wird die Automobil-Herstellung in den kommenden Jahren immer adaptiver und flüssiger werden – und Fahrzeugdesigner_innen spielen eine wichtige Rolle, um diesen Trend voranzutreiben.
IHR PARTNER FÜR MODULARE FAHRZEUGPLATTFORMEN
Magna hat diese aktuellen Trends bereits aufgegriffen und gemeinsam mit Partnerunternehmen und Lieferanten adaptive und flexible Plattform-Lösungen entwickelt. Als Teil unseres Automotive One-Stop-Shop-Services können wir Neueinsteiger auf dem Fahrzeugmarkt mit einem modularen Fahrzeugbaukasten unterstützen. Ob durch die direkte Nutzung der Plattform als Basis für eine neue Automobilmarke oder durch die Ableitung einer individuellen Plattform – die Plattform-Lösungen von Magna können eine stabile Grundlage bieten, um aus einer neuen Fahrzeugvision Realität zu machen.
WHAT'S NEXT?
In summary, there are three perspectives to consider when discussing platform design and architecture:
- The vehicle structure in correlation with the layout of a platform
- The vehicle functional attributes, system functions & electronics
- The vehicle’s styling (including its derivatives.
Platform designers should align all three of these attributes in order to realize an automotive project. This task has changed with the advent of EVs and is now defined by a more unified and modular design within platforms and components alike, all while looking for ways to make platforms more streamlined and top hats more pronounced.
EV car design faces a paradox situation in which components become more common and unified across vehicles, all while the total vehicle diversity and designer’s freedom grow ever more. A huge diversity in vehicles, stemming from a degree of commonality within platforms never seen before and achieved by developing modular components that allow for such a development. However, this new standard can only be utilized to the fullest if platform makers recognize the tremendous importance of design and architecture and adhere to every single millimeter in platform design.
Stay connected!

Willhelm Dietrich
Wilhelm Dietrich ist globaler technischer Bereichsleiter Gesamtfahrzeug & Architektur bei Magna Steyr Engineering, wo er vier Abteilungen leitet, die für Styling, Fahrzeugarchitektur, Fahrzeugintegration und Homologation verantwortlich sind. Er kam im Juli 2000 zu Magna und hat einen Abschluss in Maschinenbau und Betriebswirtschaftslehre.
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