Die Konzeptphase umfasst das linke obere Segment des V-Modells. Ziel der Konzeptphase ist es, die wesentlichen technischen und wirtschaftlichen Ziele sowie den Gesamtzeitrahmen des Projektes zu verifizieren. Diese Phase beginnt mit der Erstellung des Kundenmarktprofils (CMP – Customer Market Profile). Nachdem dieses erstellt und der Zielmarkt sowie die Benchmark-Fahrzeuge definiert sind, können die ersten vollständigen Fahrzeugziele mit dem ersten Satz messbarer Größen festgelegt werden.
Sobald die Gesamtfahrzeugziele klar sind, werden sie auf Systemebene in weitere Schritte unterteilt. Dieser Prozess ist geprägt von einer intensiven Zusammenarbeit zwischen den interdisziplinären Teams, da sich Fahrzeugeigenschaften in mehreren Systemen überschneiden und Änderungen in einem Bereich oft Auswirkungen auf eine Vielzahl anderer Bereiche haben.
Während der Konzeptphase werden zwei Schlüsseldokumente erstellt:
- das Produktlastenheft (bzw. die Produktlastenhefte), worin die Aufgaben und Ressourcen für System- oder Komponentenlieferanten aufzeigt werden
- eine erste Stückliste (BOM – Bill of Materials), die alle Ressourcen auflistet, die zur Kalkulation des Businessplanes für das gesamte Fahrzeug benötigt werden
Beide Dokumente reflektieren den Fortschritt der Fahrzeugkonzeption und werden während dieser Entwicklungsphase kontinuierlich aktualisiert und immer detaillierter.
Mit den vorliegenden Anforderungen, Spezifikationen und der groben Stückliste können die Fahrzeugziele in der Zielvereinbarung (TA – Target Agreement) erfasst werden. Sobald diese erstellt ist, sind die darin festgelegten Ziele, Anforderungen und Messgrößen endgültig und dienen als Richtwerte für die nachfolgende Entwicklungsphase.
5 STRATEGIEN FÜR EINEN REIBUNGSLOSEN PROJEKTABLAUF
Während der Konzeptphase können mehrere herausfordernde Situationen auftreten. Die folgenden fünf Strategien können dabei als Hilfestellung dienen:
Strategie #1: Anpassung der Stückliste (BOM – Bill of Materials)
Die Stückliste ist einer der häufigsten Fallstricke für Marktneueinsteiger. Die erste Stückliste wird in der Konzeptphase erstellt und basiert rein auf Schätzungen, d. h. sie ist notgedrungen in einigen Segmenten unvollständig. Im Laufe des Projektes und mit fortschreitendem Informationsumfang bedarf es daher regelmäßiger Anpassungen oder Ergänzungen dieser Schätzungen, die im ursprünglichen Entwurf noch nicht vorhanden waren bzw. nicht vorhanden sein konnten. Bereits geringfügige Änderungen am Projekt können die kalkulierten Kosten des Businessplanes verändern. Daher sollten Marktneueinsteiger Veränderungen während der Konzeptphase ständig verfolgen und für einen klaren Entscheidungsprozess sorgen.
Strategie #2: Design und Technik im Gleichgewicht halten
Die Hauptinteraktionspunkte in der Fahrzeugentwicklung bestehen in der Regel zwischen den technischen Merkmalen eines Fahrzeuges und seinem Design- und Gestaltungskonzept. Technische Anforderungen schränken die kreative Freiheit manchmal ein, während Designentscheidungen ihrerseits Kompromisse von der technischen Seite verlangen. Enge Zusammenarbeit und ein gegenseitiges Verständnis zwischen den technischen Teams und den Designer_innen helfen dabei, die notwendige Balance zu finden.
Strategie #3: Durchführung von Simulationen und virtuellen Tests
Es ist wichtig, bereits in einem sehr frühen Stadium der Projektentwicklung mit der Validierung des Fahrzeugkonzeptes zu beginnen, um zu beurteilen, ob die Fahrzeugziele erreicht werden können. Dies wird mit virtuellen Technologien in den Test- und Validierungsprozessen erreicht.
Durch den Einsatz virtueller Entwicklungsmethoden können Time-to-Market und Entwicklungskosten optimiert werden. Dank virtueller Werkzeuge und Simulationsmethoden ist die Vorhersagequalität digitaler Prototypen sehr weit fortgeschritten, wodurch bereits in dieser frühen Projektphase ein hoher Designreifegrad erreicht werden kann.
Bei der Fahrzeugsicherheit beispielsweise gibt es zahlreiche Anforderungen und Standards. Dazu zählen:
- gesetzliche Anforderungen und Verbraucherbewertungen: z. B. NCAP (New Car Assessment Programme) oder IIHS (Insurance Institue for Highway Safety)
- Markt- und Technologietrends: z. B. neue Elektroplattformen und autonomes Fahren
Diese Anforderungen und Standards können zu neuen Herausforderungen bei der passiven Sicherheit und bei der Crash-Tauglichkeit führen. Der Karosseriebau muss diesen Anforderungen durch den Einsatz verschiedener Materialkombinationen und hybriden Fügetechnologien gerecht werden, was wiederum eine hohe Vorhersagequalität und Effizienz der Simulationsmethoden erfordert. Um beide Faktoren zu erreichen, braucht es einen ständigen Vergleich zwischen Simulation und Messungen.
Virtuelle Tools können diesen Prozess erheblich erleichtern. Kleine Fügeelemente werden zunächst physikalisch getestet, bevor die Ergebnisse dieser Tests in eine Gesamtfahrzeugsimulation einfließen. Auf diese Weise können Ergebnisse einfacher und schneller sowie mit höherer Genauigkeit erzielt werden. Um qualitativ hochwertige Daten zu generieren, sind die richtigen Simulations-Tools von grundlegender Bedeutung. Der Wert der virtuellen Simulation hängt letztendlich jedoch von der richtigen Interpretation der Ergebnisse ab. Eine solche ist somit mindestens gleichbedeutend wie die verwendete Software.