Two robots producing car

Warum Sie von Anfang an eine valide Fahrzeugplattform-Strategie brauchen

 

Die heutige Automobilindustrie baut stark auf dem Prinzip der Fahrzeugplattformen auf. Die steigende Beliebtheit von Elektrofahrzeugen und anderen Technologien, die ständig wachsende Zahl von Softwarefunktionen und die Notwendigkeit, unterschiedliche Fahrzeuge zu entwickeln, erfordern immer mehr Ressourcen, Effizienz und Innovation. Eine intelligente Fahrzeugplattform-Strategie ist daher für heutige und zukünftige Fahrzeug-Entwickler und -Hersteller unerlässlich, um mit den Anforderungen der Automobilindustrie Schritt halten zu können.

 

 

Zunächst skizzieren wir die Grundlagen jeder Fahrzeugplattform-Strategie: Welche Informationen werden für die Erstellung benötigt? Und wie genau sollte diese genutzt werden, um eine sinnvolle Strategie zu konzipieren? Danach werden wir uns mit einigen Schwierigkeiten und Missverständnissen befassen, die häufig mit Plattform-Strategien verbunden sind. Und schließlich stellen wir einige wichtige Prinzipien vor, die eine erfolgreiche Fahrzeugplattform-Strategie einhalten sollte.

Dieser Artikel gibt einen allgemeinen Überblick über alle Prozesse und Phasen, die ein vollständiges Fahrzeugkonzept ausmachen. Tauchen Sie weiter in unsere anderen Artikel auf Inside Automotive ein, um mehr zu erfahren. Wenn Sie die Umsetzung Ihrer eigenen automobilen Vision im Detail besprechen möchten, kontaktieren Sie uns gerne.

 

WARUM SIE EINE FAHRZEUGPLATTFORM-STRATEGIE BRAUCHEN 

Ein Fahrzeug kann grob in zwei Teile aufgeteilt werden: die Plattform und der Top-hat. Die Fahrzeugplattform beschreibt dabei die grundlegenden Bauteile eines Fahrzeuges, die man in anderen Fahrzeugmodellen und -varianten wiederverwendet. Dazu gehören hauptsächlich nicht designrelevante Teile, Funktionen, Komponenten, Systeme und Baugruppen, die in verschiedenen Fahrzeugausführungen zum Einsatz kommen. Der Top-hat (zu Dt. „Hut“) bezieht sich auf alle Styling- und markenspezifischen Elemente, die auf der Plattform sitzen. Dazu zählen alle individuellen Komponenten und Systeme einer bestimmten Fahrzeugausführung. Diese vereinfachte Unterscheidung ist wichtig, weil sich eine Plattform-Strategie um die Frage dreht, wo die Grenze zwischen gemeinsam genutzten Teilen (auch Gleichteile genannt) und individuellen Teilen gezogen wird.

Um diesen Punkt dreht sich die Gleichteilestrategie. Sie beschreibt die Übernahme von identen Komponenten und Teilen auf mehrere Fahrzeugplattformen. Damit kann ein Fahrzeugprojekt von der einfachen Entwicklung eines Fahrzeuges zur Entwicklung mehrerer Modelle auf Basis der Plattform wachsen. Diese Fahrzeugplattform-Strategie trägt dazu bei, dass ein Fahrzeug-Hersteller mehrere Jahre lang neue Fahrzeuge mit reduzierten Kosten und optimierter Time-to-Market für jedes Modell auf den Markt bringen kann. Allerdings kann bei der Planung und Entwicklung des ersten Fahrzeugprojektes ein erhöhter Aufwand entstehen.

Daher ist es wichtig, schon zu Beginn eines jeden Projektes alle relevanten Spezifikationen zu skizzieren. Somit kann man die erforderlichen Anpassungen rechtzeitig berücksichtigen, um eine Gleichteilestrategie sicherzustellen. Entsprechend erfordert eine Fahrzeugplattform-Strategie eine klare Definition des Anpassungsumfanges oder der Bandbreite möglicher Fahrzeugmodelle. Ob die Plattform von einem C-Segment zu einem D-Segment angepasst werden kann, ob sie sowohl auf dem US-amerikanischen als auch auf dem europäischen Markt (einschließlich Großbritannien) freigegeben werden kann oder welche Arten von Batterien sie verwenden kann – all dies wird intern in der Fahrzeugplattform-Strategie evaluiert und validiert.

 

TDER WEG ZU IHRR FAHRZEUGPLATTFORM-STRATEGIE IN 4 SCHRITTEN

Schritt #1: Skizzieren Sie das komplette Fahrzeug

Um die Abmessungen einer Plattform ermitteln zu können, sollten Sie bereits ein klares Bild des zukünftigen Gesamtfahrzeuges haben. Die dazu benötigten Eckdaten leiten sich aus dem Business Case ab, der bereits in einem bestehenden Artikel besprochen wurde. Zu den wichtigsten Überlegungen gehören:

  • Die Kernmerkmale des Fahrzeuges. Diese Merkmale haben alle späteren Fahrzeugmodelle gemeinsam. Mit der Auswahl der Kernmerkmale legt man gleichzeitig die Systeme und Komponenten der späteren Fahrzeugplattform fest.
  • Die Anzahl der geplanten Fahrzeugvarianten. Hiermit bestimmt man nicht nur die Anzahl der späteren Variationen, sondern auch, wie lange die Plattform voraussichtlich auf dem Markt bleiben soll.
  • Die Segmente, die das Fahrzeug abdecken soll, und die Preisgestaltung des Fahrzeuges. Dieser Faktor gibt die Richtung für den geforderten Grad an Modularität der Plattform an.

Kurzum: Das Erstellen eines anfänglichen Kundenmarktprofils (CMP – Customer Market Profile) ist das Wichtigste bei der Definition von Fahrzeugzielen. Das CMP entspricht den bisherigen Überlegungen und zeigt auf, was genau ein Fahrzeug leisten soll und für welchen Markt es gedacht ist.

Schritt #2: Fahrzeugziele und Funktionen festlegen

Bei der Planung des Gesamtfahrzeuges müssen zwei ineinandergreifende Eigenschaften klar definiert werden: Ziele und Funktionen.

Ziele (insbesondere Gesamtfahrzeugziele) umfassen alle Messgrößen und funktionalen Anforderungen, die ein Fahrzeug erfüllen muss – egal, ob diese empirisch messbar oder durch subjektive Wahrnehmung bewertbar sind. Beispiele für messbare Ziele sind eine Fünf-Sterne-Sicherheitsbewertung oder eine maximale Reichweite von 700 Kilometern; subjektive Ziele beziehen sich auf Aspekte wie den Fahrkomfort.

Funktionen umfassen hingegen alle Anforderungen des Kundenmarktes. Dabei kann es sich um Toter-Winkel- und Rückfahrkameras, integrierte Connectivity-/Infotainment-Funktionen oder ein Schiebedach handeln. Im Wesentlichen umfassen Funktionen jene Ausrüstung und Ausstattung, über die das endgültige Fahrzeug verfügen sollte.

Diese beiden Eigenschaften zusammen ergeben den Sollkatalog des Gesamtfahrzeuges und die Ausstattungsliste. Diese beiden Dokumente bilden später die Kernstücke des Funktionskonzeptes des Fahrzeuges. Innerhalb einer Funktionsstrategie werden alle mechatronischen (E/E-bezogenen) und mechanischen (systembezogenen) Funktionen des Fahrzeuges anhand der vom CMP geforderten möglichen Variantenvielfalt ermittelt. Wenn ein Fahrzeug beispielsweise nicht für die Freigabe in Großbritannien oder Japan vorgesehen ist, muss kein Linksverkehr berücksichtigt werden.

Schritt #3: Skizzieren Sie das Kernfahrzeug und seine Varianten

Auch wenn Plattform und Top-hat als zwei separate Einheiten betrachtet werden, lassen sich ihre einzelnen Komponenten während der weiteren Entwicklung nicht immer vollständig voneinander trennen. Daher muss sich das Projektteam für ein Kernfahrzeug entscheiden.

Das Kernfahrzeug ist das erste Fahrzeug, das entwickelt, produziert und auf den Markt gebracht wird. Damit bildet es das Herzstück der Entwicklung und ist das Basismodell für alle nachfolgenden Varianten. Auf diese Weise setzt es Maßstäbe für die Wahrnehmung der Plattform (und der gesamten Fahrzeugreihe) am Markt.

Schritt #4: Finden Sie eine passende (vorhandene) Basisplattform

Der letzte Schritt zur Finalisierung der Fahrzeugplattform-Strategie besteht darin, eine geeignete Plattform zu finden. Für Marktneueinsteiger_innen ist die gemeinsame Nutzung einer bereits vorhandenen Plattform mit einem anderen OEM eine gute Herangehensweise, um die Anschaffungskosten und die Markteinführungszeit zu minimieren.

Wenn das Kernfahrzeug fertig durchdacht, die Variationsbreite klar und die Lieferantenanforderungen und die Stückliste ausgearbeitet sind, kann der Markt nach vorhandenen Plattformen durchsucht werden, die den eigenen Anforderungen entsprechen. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie im vorherigen Artikel.

Weiters ist bei gemeinsam genutzten Plattformen der Aspekt der Modularität zu beachten. Moderne Fahrzeugplattformen sind viel anpassungsfähiger als noch vor wenigen Jahrzehnten – was bedeutet, dass die Kreativität des Fahrzeug-Herstellers nicht einschränkt ist. So kann sich dieser auf die Alleinstellungsmerkmale eines bestimmten Fahrzeuges zu konzentrieren.

Auch traditionelle OEMs nutzen Plattform-Sharing, wenn auch auf etwas andere Weise als Marktneueinsteiger_innen. Sie wählen entweder eine bestehende Plattform aus ihrem Portfolio aus oder sie konzipieren eine neue Inhouse-Plattform auf Basis ihrer bisherigen Fahrzeuge oder sie teilen sich in manchen Fällen auch eine Plattform mit einem anderen OEM. Unterm Strich ist Plattform-Sharing ein gängiger Weg, um ein Fahrzeug möglichst effizient auf den Markt zu bringen. Eine neue Plattform zu entwickeln, ist dagegen teurer – ermöglicht aber auch mehr Innovation.

 

 

HÄUFIGE SCHWIERIGKEITEN BEI DER STRATEGIEFINDUNG

Für neue Akteure in der Fahrzeugindustrie ist es essenziell, früh den Kontakt zu Komponenten- und Systemlieferanten aufzunehmen. Lange Vorlaufzeiten sind eine große Herausforderung in einem Markt, der von flexiblen Entwicklungsplänen und schnellen Time-to-Market-Anforderungen geprägt ist. Sich zu spät um Einzelteile zu kümmern, kann nicht nur den Prozess der Fahrzeugplattform-Strategie, sondern des gesamten Projektes erheblich behindern. Daher sollte die frühzeitige Identifizierung von Teilen mit langer Vorlaufzeit und das frühzeitige Onboarding der erforderlichen Lieferanten ganz oben auf der To-do-Liste eines jeden neuen Marktteilnehmers stehen.

Gleiches gilt jedoch auch für Kernlieferanten. Manche Systeme haben zwar keine langen Vorlaufzeiten, sind aber für die weitere Planung, Entwicklung und Erprobung anderer Systeme des Fahrzeuges von entscheidender Bedeutung. Ähnlich wie die Zulieferer mit langen Vorlaufzeiten muss man auch die Lieferanten der Kernteile und -systeme so schnell wie möglich identifizieren und einbinden.

Es besteht immer die Möglichkeit, dass man wichtige Schritte der Konzeptphase übersieht. Ein Fahrzeugprojekt muss eine klare Strategie haben, die am Ende der Konzeptphase keinen Spielraum für Fehler und Missverständnisse lässt. Denn alles, was danach geändert oder versäumt wird, hat schwerwiegende Auswirkungen auf das Projekt und seinen Zeitplan. Daher ist die Konzeptphase die wichtigste Phase eines Fahrzeugprojektes.

 

3 PRINZIPIEN, AN DIE SICH JEDE PLATTFORM-STRATEGIE HALTEN SOLLTE

Bei der Festlegung der Grundlage einer Plattform-Strategie sind einige Dinge zu beachten:

Prinzip #1: Ein stabiles Projektfundament sicherstellen

Bei der Ausarbeitung einer soliden Plattform-Strategie (und eines soliden Projektplanes im Allgemeinen) ist eine einwandfreie Grundlage essenziell. Das bedeutet, dass das Gesamtfahrzeugkonzept ausgehend vom Business Case mit größter Sorgfalt behandelt werden muss. Um sowohl umfassende als auch nachvollziehbare Konzepte abzuleiten, müssen eine klare Produktvision und ein klares Kundenmarktprofil vorhanden sein. Bei der Vorarbeit sollte man daher am wenigsten geizen.

Prinzip #2: Den zukünftigen Produktionsumfang im Blick behalten

Die Plattform-Strategie ist ein gutes Instrument, um Initialkosten zu reduzieren und eine langfristige Roadmap für ein Fahrzeugportfolio zu entwerfen. Das gibt Fahrzeug-Entwicklern die Möglichkeit, mehrere Derivate auf einer gemeinsamen technischen Basis herauszubringen und Produktionsvolumina zu skalieren. So profitieren die nachfolgenden Fahrzeugmodelle von Skalierbarkeitseffekten, standardisierten Produktionsprozessen und einem bewährten Lieferantennetzwerk.

Prinzip #3: Einen passenden Partner finden

Die Fahrzeugentwicklung erfordert von Anfang an enorme Mengen an Ressourcen, Zeit, Knowhow und Arbeitskräften – was insbesondere für Marktneueinsteiger die größte Hürde darstellt, bevor das Projekt überhaupt durchstarten kann.

Durch die Zusammenarbeit mit einem Entwicklungs- und Produktionspartner können Neueinsteiger vor und während des Gesamtfahrzeugprojektes am Markt Fuß fassen. Magna bietet deswegen einen kompletten One-Stop-Shop-Service und begleitet neue Akteure von der Konzeption bis zur Serienproduktion ihres eigenen Fahrzeuges. Dazu gehört natürlich auch die Suche und Anpassung einer geeigneten Basisplattform.


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Peter Tripp Senior Acquisition Manager at Magna Steyr

Peter Tripp

Peter Tripp ist Senior Acquisition Manager bei Magna Steyr. Nach seinem Eintritt bei Magna im Jahr 2000 hatte er Positionen im Vertrieb, in der Gesamtfahrzeugproduktion, in der Vertriebstechnik, in der Gesamtfahrzeugentwicklung und in der Gesamtfahrzeugverantwortung für zahlreiche Gesamtfahrzeugprojekte inne. 

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