WARUM STARTUPS DAZU TENDIEREN, DIE HERAUSFORDERUNGEN EINES FAHRZEUGPROJEKTS ZU UNTERSCHÄTZEN
Jeder Fahrzeugproduktionsprozess umfasst ein komplexes Spektrum an Aufgaben und Zielen, die allesamt aufeinander abgestimmt werden müssen. Neben der Planung des eigentlichen Produktionsprozesses müssen beim Aufbau der Fahrzeugmarke Lieferanten, Verkäufer und Investor_innen gefunden werden. Marktneueinsteiger sind mit der Menge an Aufgaben bzw. damit, wie diese miteinander zusammenhängen und inwiefern sie aufeinander aufbauen, häufig nicht vertraut. Ihnen fehlt oft die Erfahrung, um die Komplexität der Fahrzeugentwicklung vollständig zu verstehen, was dazu führt, dass sie diese unterschätzen. Einfach ausgedrückt: Ohne Erfahrung stehen vielen Startups in der Fahrzeugindustrie einige Überraschungen bevor.
Von den häufigsten und größten Herausforderungen bei der Fahrzeugentwicklung sind vor allem fünf zu nennen. Im Folgenden werden diese in Grundzügen erläutert.
Herausforderung #1: Die Bestimmung der exakten Produktionsmenge
Es mag einfach klingen, eine Jahresproduktionsmenge oder gar die gesamte Produktionsmenge abzuschätzen. Diese Zahl ist jedoch ungewisser, als man annehmen möchte. Da Startups neue Akteure auf dem Fahrzeugmarkt sind, können sie sich nicht auf ihre eigenen historischen Daten verlassen, um das Marktpotenzial ihrer Marke zu kennen. Ihre Schätzungen der Produktionsmengen werden daher mit hoher Wahrscheinlichkeit von der tatsächlichen Nachfrage abweichen.
Die Bestimmung des adäquaten Produktionsvolumens ist nicht nur eine Herausforderung, sie kann bei grober Fehleinschätzung auch signifikante Konsequenzen nach sich ziehen. Jede Änderung der Produktionszahlen hat erhebliche Auswirkungen auf den gesamten Fahrzeugproduktionsplan, insbesondere hinsichtlich des Zeit- und Ressourcenaufwands. Eine Schwankung zwischen 5.000 und 50.000 Fahrzeugen pro Jahr muss sowohl zeitlich als auch bezüglich des Materialbedarfs kalkuliert werden, was eine lange Vorlaufzeit bei der Planung erfordert. Die Produktion größerer Mengen, als vorab geschätzt, kann zu Kapazitätsproblemen führen, während kleinere Mengen die Rentabilität beeinträchtigen und höhere Kosten pro Einheit verursachen.
Herausforderung #2: Finalisierung des Fahrzeugkonzepts und Ermittlung von Hauptlieferanten
Obwohl einige Fahrzeugelemente relativ leicht nach Bedarf angepasst werden können, ist es entscheidend, sich früh für ein allgemeines Basiskonzept zu entscheiden. Vor allem das Fahrwerk, die E/E-Architektur (Elektrik/Elektronik) und der Antriebsstrang sollten nach der Ideenphase fixiert werden, da eine spätere Änderung dieser Komponenten zu Verzögerungen und Kostensteigerungen führen kann.
Mit der Finalisierung des Konzepts stellt sich auch die Frage, welche Lieferanten zu dessen Umsetzung notwendig sind. Das Organisieren von Hauptlieferanten sowohl von Fahrzeugteilen als auch von den für die Montage erforderlichen Werkzeugen kann sich als Herkulesaufgabe entpuppen, insbesondere dann, wenn Marktneueinsteiger nicht beabsichtigen, in großen Mengen zu produzieren. Das Onboarding von Lieferanten ist oft ein Grund, warum sich Projekte verzögern, was es umso wichtiger macht, dass Startups beim Aufbau ihrer Lieferantenbasis flexibel und kompromissbereit bleiben.